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Urteil des europäischen Gerichtshofes hat auch Auswirkungen auf die Schweizer Gesetze
Aus Espresso vom 27.10.2022. Bild: Imago Images
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Europäischer Gerichtshof «Was bedeutet das Urteil zur Witwerrente für mich?»

Künftig bekommen Männer ihre Witwer-Rente, auch wenn ihre Kinder volljährig sind.

Die Rechtslage kurz erklärt:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 11. Oktober ein für die Schweiz wegweisendes Urteil gefällt. Gewehrt hatte sich ein Mann aus Appenzell, dem die Witwerrente gestrichen worden war. Der Hintergrund: Bis anhin hatten verwitwete Männer nur bis zum 18. Geburtstag ihres jüngsten Kindes Anspruch auf eine Witwenrente. Anders bei verwitweten Frauen: Sie bekommen die Witwenrente über die Volljährigkeit der Kinder hinaus.

Missverständliche Angaben im Radio-Beitrag

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Im Radiobeitrag zum Thema ist davon die Rede, dass Frauen lebenslang eine Witwenrente erhalten. Diese Aussage ist nicht ganz korrekt: Wenn eine Frau mit Witwenrente das ordentliche AHV-Alter erreicht, und somit Anspruch hat auf eine Altersrente, wird bei der Ausgleichskasse neu gerechnet. Wenn der Betrag der Witwenrente höher ist als die Altersrente, erhält die Frau weiterhin den höheren Betrag – neu einfach als Altersrente.

Dasselbe gilt, wenn gleichzeitig ein Anspruch auf eine Witwen- und eine Invalidenrente besteht – auch dann wird nur der höhere der beiden Beträge ausgezahlt.

In seinem Urteil rügt der Gerichtshof diese Ungleichbehandlung. Für den Mann aus Appenzell heisst das: Er kann gestützt auf das Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte beim Bundesgericht verlangen, dass es das Urteil in seinem Fall revidiert. Das würde bedeuten, dass der Witwer seine Rente künftig wieder bekommt. Gut möglich auch, dass die Ausgleichskasse dem Mann die Renten der letzten Jahre nachzahlen muss.

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Rechtsexpertinnen Raphaela Reichlin und Gabriela Baumgartner
Legende: Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin Quelle: SRF Oscar Alessio / Roberto Crevatin

Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten.

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Ab dem 11. Oktober gelten Übergangsregelungen

Das Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte wirkt sich aber nicht nur für den Appenzeller Witwer aus. Es führt dazu, dass die Schweiz ihre entsprechenden Gesetze anpassen muss. Dieser Prozess dürfte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Bis er abgeschlossen ist, gelten Übergangsregelungen.

Für Betroffene bedeutet das:

  • Männer mit einem Kind unter 18 Jahren, die am 11. Oktober bereits Anspruch auf eine Witwerrente hatten, werden diese Rente über den 18. Geburtstag des Kindes hinaus bekommen. Sie erhalten von ihrer Ausgleichskasse automatisch eine entsprechende Verfügung.
  • Verwitwete Männer mit einem Kind unter 18 Jahren, die ihre Rente nach dem 11. Oktober beantragen, werden ihre Rente ebenfalls automatisch länger bekommen. Bereits ausgestellte anderslautende Verfügungen werden ersetzt.

Diese Übergangsbestimmungen gelten, bis die aktuell geltenden Gesetze überarbeitet und in Kraft getreten sind.

  • Auf verwitwete Männer, deren jüngstes Kind vor dem 11. Oktober 2022 volljährig geworden ist, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte voraussichtlich keinen Einfluss.

Diese Regeln gelten auch für verwitwete Partner mit eingetragener Partnerschaft. Auf Witwenrenten hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dagegen keine Auswirkungen.

Espresso, 27.10.22, 08:13 Uhr

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