«Meine Birke steht seit 35 Jahren an der Grenze meines Grundstückes», schreibt ein Mann aus dem Luzernischen. Seit Jahren sorgt diese Birke immer im Herbst für Ärger. Dann verliert sie nämlich ihre Blätter und denen ist es Wurst, wo sie zu liegen kommen.
Dem Nachbarn passt das Laub auf seinem Grundstück gar nicht. Diesen Herbst hat er sich einen Laubbläser besorgt und bläst nun das Laub auf das andere Grundstück zurück. «Aber eben nicht nur die Blätter meiner Birke, sondern auch das Laub seiner Bäume und überhaupt alles, was aussieht wie ein Blatt.» Muss man sich so etwas gefallen lassen, möchte nun der Eigentümer der Birke vom Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 wissen.
Eine klare Antwort auf diese Frage gibt es nicht: Laut Zivilgesetzbuch muss man sich nachbarschaftliche «Immissionen» wie eben Laub, Lärm oder Schatten gefallen lassen. Wehren kann man sich nur gegen übermässige Immissionen. Doch was heisst «übermässig»?
Was empfindet ein «Durchschnittsbürger» schon als normal?
Was als übermässig gilt, hängt gemäss Gerichtspraxis von den folgenden Kriterien ab:
- ob sich die Grundstücke in einer Wohn- oder Landwirtschaftszone befinden
- ob sich die Grundstücke in ländlicher oder städtischer Umgebung befinden und
- was ein Durchschnittsbürger in dieser Umgebung als übermässig empfinden würde
Ein Gericht – stellvertretend für den Durchschnittsbürger – würde grosse Mengen von Laub am ehesten dann als übermässige Immission einstufen, wenn es sich um eine städtische Umgebung handelt und das Laub die Sicherheit der Passanten in einer Ladenstrasse gefährden oder Abflüsse verstopfen könnte. In ländlichen, weniger dicht bebauten Umgebungen ist Nachbars Laub im Herbst zu dulden.
Von rechtlichen Schritten ist abzuraten
Nach dieser Rechtssprechung müsste der Nachbar das Laub der Birke auf seinem Grundstück wohl dulden und darf es nicht auf das angrenzende Grundstück zurückbefördern. Der «Espresso»-Hörer könnte sich mit rechtlichen Schritten gegen die Einwirkung auf sein Grundstück wehren. Doch davon ist dringend abzuraten.
Nachbarschaftliche Beziehungen sind kaum mehr zu retten, sobald Anwälte oder Gerichte im Spiel sind. Viele Betroffene unterschätzen darüber hinaus die Kosten und vor allem den mit einer rechtlichen Auseinandersetzung verbundenen emotionalen Aufwand.
Einfacher wäre es, ungeachtet der Rechtslage mit dem Nachbarn eine Lösung anzustreben. Im einen Jahr kehrt der eine Grundeigentümer das Laub, im nächsten der andere. Oder man beauftragt einen Gärtner und teilt sich die Kosten. Das kommt immer noch deutlich billiger als die Kosten für eine Klage vor Gericht.