Ein «Espresso»-Hörer wohnt im Gebiet des Tarifverbunds Libero (Bern, Solothurn, Jura). Für seinen Arbeitsweg nach Uetendorf kostet das direkte öV-Ticket 19 Franken. Löst er dagegen für jeden Abschnitt der Fahrt ein separates Ticket, bezahlt er für dieselbe Reise nur 16.80 Franken.
Die Erklärung: Es gibt in der Schweiz zwei Arten, wie Ticketpreise berechnet werden. Einerseits nach Zonen, andererseits nach Strecke. In Tarifverbünden, zu denen meist städtische Regionen gehören, werden die Preise nach Zonen berechnet.
Man kauft ein Ticket mit einer bestimmten Gültigkeitsdauer und für eine begrenzte Anzahl Zonen.
Zwei Berechnungsarten für dieselbe Strecke möglich
Für längere Strecken und Reisen über einen Tarifverbund hinaus wird in der Regel der Streckentarif angewendet. Man bezahlt für eine einmalige Fahrt von A nach B. Der Preis richtet sich nach der Distanz. Zonentickets werden von den Kantonen, die den Tarifverbund tragen, subventioniert. Deshalb sind sie häufig günstiger als Streckenbillette.
Die beiden Berechnungssysteme können sich aber auch vermischen, wenn jemand über die Grenze eines Tarifverbunds hinaus fährt und auf der Fahrt umsteigt. Genau dies macht der Mann im erwähnten Beispiel. Deshalb kann er entweder ein Streckenbillett kaufen für die einmalige direkte Fahrt nach Uetendorf, oder er kann für die Teilstrecken innerhalb des Tarifverbunds Libero Zonentickets kaufen und für den letzten, kurzen Abschnitt seiner Reise noch ein Streckenbillett.
Manchmal ist auch das Streckenbillett günstiger
Frühere Beiträge:
Es gibt auch das Gegenteil: Für eine einmalige Fahrt von Sargans nach Bad Ragaz kommt es günstiger, wenn man ein Ticket bis nach Maienfeld kauft. Das ist eine Station weiter. Der Grund: Sargans – Bad Ragaz ist eine Fahrt innerhalb des Tarifverbunds Ostwind. Man benötigt dafür ein Ticket für zwei ganze Zonen. Sargans – Maienfeld geht über den Tarifverbund hinaus. Die Strecke ist aber so kurz, dass der günstigste Streckentarif zur Anwendung kommt.
Pro Bahn: «Intransparenter Tarifdschungel!»
In der Schweiz finden sich viele solche Beispiele. Kein Wunder, bei rund 20 verschiedenen Tarifverbünden mit eigenen Preissystemen. Die Präsidentin der Fahrgast-Organisation Pro Bahn Karin Blättler kritisiert: «Das ist ein total intransparenter Tarifdschungel! Der Kunde weiss nicht, wie er am günstigsten zu einem Billett kommt.» Pro-Bahn fordert deshalb von Bundespräsidentin Doris Leuthard eine schweizweite Harmonisierung der öV-Tarife.
Der Handlungsbedarf sei erkannt, heisst es bei den Tarifverbünden. Der Verband öffentlicher Verkehr arbeite an einem Projekt für einheitliche öV-Tarife. Eine schnelle Lösung sei aber nicht in Sicht. Dafür müssten die Kantone, welche die Verbünde subventionieren, ihre Entscheidungsfreiheit und einen Teil ihres Einflusses auf die Ticketpreise aufgeben.