In den 1970- und 80er-Jahren war die Velo-Abstandskelle extrem populär. Die orange Fahne aus Plastik mit einem Reflektor in der Mitte war damals an praktisch jedem Kinder- und auch an vielen Erwachsenenvelos montiert. Sie konnte nach Belieben ein- und ausgeklappt werden, um besonders eng überholende Autofahrer auf Distanz zu halten.
Der Trend kam Ende der 70er aus Skandinavien, wo eine Studie nachgewiesen haben soll, dass Distanz-Kellen für Velofahrer mehr Abstand bringen.
«Zu wenig sexy»
In der Schweiz ist die Abstands-Fahne erstmals 1978 aufgetaucht. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung Bfu stellte bei der damaligen eidgenössischen Polizeiabteilung den Antrag, diese offiziell zuzulassen. Bis dahin waren Reflektoren am Velo (ausser jene an den Reifen) nämlich verboten.
Der Bund sagte ja, und der Boom begann. Doch heute sind die Abstands-Halter praktisch von den Velos verschwunden. Über die Gründe können Expertinnen und Experten nur spekulieren. Wahrscheinlich war und ist die Kelle schlicht zu wenig «cool».
Die meisten Autofahrer überholen zu knapp
Trotzdem, das Thema Abstand bleibt aktuell. Eine Stichprobe des Konsumenten-Hefts «Saldo» in Zürich und Basel zeigte kürzlich: Vier von fünf Autofahrern halten den empfohlenen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern beim Überholen von Velos nicht ein. Jeder fünfzigste Autolenker überholte sogar mit einem Abstand unter 50 Zentimetern. Extrem knapp.
Eine Abstands-Kelle wäre deshalb auch heute noch sinnvoll, sagen viele Experten. Ein Fahrrad ist von hinten schmal und sehr schlecht sichtbar. Eine ausgeklappte Velofahne macht es optisch breiter. «Wir empfehlen allen VelofahrerInnen, eine solche Kelle zu montieren. Sie sensibilisiert Autofahrer, dass man Velos mit genügend Abstand überholt», sagt Christoph Merkli, Geschäftsführer von Pro Velo Schweiz.
Pro Velo will Mindestabstand einführen
Im Schweizer Gesetz steht nur, dass Velos mit ‹ausreichendem Abstand› überholt werden müssen. Aber nicht, mit wie viel. Das will Pro Velo ändern: Bis Geschwindigkeiten unter 50 Stundenkilometern soll es mindestens ein Meter sein. Darüber 1 Meter 50. «In anderen europäischen Ländern ist das im Gesetz so festgeschrieben. Wir möchten, dass auch in der Schweiz eine absolute Zahl drinsteht, an der man sich orientieren kann», so Merkli.
Gratiskellen bei der Suva
Die Suva versuchte anno 2010, die Sicherheits-Fahne noch einmal wiederzubeleben. Sie lancierte eine neue, grüne Kelle mit rotem Reflektor. Leider mangelte es an Interesse. Doch wer beim Velofahren Sicherheit über Coolness stellt, kann auch heute noch an diversen Orten eine Abstands-Kelle kaufen. Oder sogar gratis beziehen bei der Suva, solange der Vorrat reicht.