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Versicherungen Von wegen Einzelfall: Noch mehr Beschwerden wegen Groupe Mutuel

«Kassensturz» berichtete in der Sendung vom 30. Januar 2018, wie Groupe Mutuel zu Unrecht eine Familie mit Betreibungen und Lohnpfändungs-Drohungen eindeckt, obschon die Familie nie einen Vertrag unterschrieben hat. Die Kasse sprach von einem «Einzelfall». Doch nun melden sich weitere Betroffene.

Lucy P. glaubte ihren Ohren nicht, als sie vor zwei Wochen «Kassensturz» schaute: Der Pressechef von Groupe Mutuel sprach damals vor laufender Kamera von einem «Einzelfall». Lucy P. hält fest: «Das ist kein Einzelfall, auch ich bin von der Groupe Mutuel total ungerechtfertigt betrieben worden. Das hat mich letztes Jahr fast in den Wahnsinn getrieben.»

Im «Kassensturz»-Interview vor zwei Wochen entschuldigte sich Christian Feldhausen, Pressechef von Groupe Mutuel, gegenüber einer Schweizer Familie. Diese wurde von der Krankenkasse über Monate hinweg mit Mahnungen, Betreibungen und angedrohten Lohnpfändungen eingedeckt. Und dies, obschon die Familie nie einen Vertrag unterschrieben hatte.

Vor laufender Kamera zog der Pressechef die Betreibung zurück und erklärte die Verträge für ungültig: «Das ist ein Einzelfall. Wir versuchen jetzt zu klären, was genau passiert ist», sagte Christian Feldhausen damals.

«Kassensturz» vom 30.01.18

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Makler mit falschen Versprechen

Lucy P. sagt, ihr sei es genauso ergangen, wie der erwähnten Familie im Bericht zwei Wochen zuvor: Auch sie wurde von einem Versicherungsmakler angesprochen, in ihrem Fall geschah es auf offener Strasse vor einer Postfiliale: «Er hat mir gesagt, er könne mir eine günstige Krankenkasse organisieren», erzählt Lucy P.: «Ich bin darauf eingegangen, und er sagte, ich solle hier gleich auf seinem Pad unterschreiben, damit er mir eine Offerte nach Hause schicken könne. Ich fragte, ob es sich wirklich nur um eine Offerte handle, was er bejahte.»

Zu ihrer grossen Überraschung bekam sie dann aber die Versicherungspolice zugeschickt. Absender: Groupe Mutuel. Lucy P. versuchte darauf hin verzweifelt, vom Vertrag loszukommen: «Ich habe Groupe Mutuel angerufen, Briefe geschrieben. Sie sind nicht auf mich eingegangen. Im Gegenteil, sie haben mich betrieben über rund 4000 Franken. Als sie mit einer Lohnpfändung drohten, habe ich dann bezahlt. Trotzdem habe ich jetzt einen Eintrag im Betreibungsregister, für etwas, wofür ich nichts kann.»

Vorwurf der Unterschriftenfälschung

Schwere Vorwürfe erhebt auch Yusuf O.: Der Carosserie-Spengler wirft Groupe Mutuel und ihren Versicherungsmaklern Unterschriftenfälschung vor: «Ich habe von Groupe Mutuel diesen Herbst einen Vertrag erhalten. So etwas habe ich aber nie unterschrieben.»

Der Makler, der bei ihm war, habe ihm einzig erklärt, er brauche die Unterschrift für das Beratungsprotokoll, damit er den Besuch gegenüber seinem Arbeitgeber belegen könne. Er, Yusuf O., habe nur aus Freundlichkeit dieses Protokoll unterschrieben. «Mir jetzt einen Vertrag zu schicken, den ich nie unterschrieben habe, grenzt für mich an Betrug!», hält Yusuf O. fest.

Bei uns heisst diese Versicherung nur noch ‹Groupe kriminell›.
Autor: Betreibungsbeamtin

Betreibungsbeamte klagen an

Neben Lucy P. und Yusuf O. melden sich viele andere Zuschauerinnen und Zuschauer auf der «Kassensturz»-Redaktion. Sie alle berichten von ähnlichen Erfahrungen mit der Krankenkasse. Sogar Betreibungsbeamte klagen, sie müssten immer wieder ungerechtfertigte Forderungen eintreiben. Eine Betreibungsbeamte schreibt: «Bei uns heisst diese Versicherung nur noch ‹Groupe kriminell›. Traurig».

Auch für Armin Budliger, Präsident der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, ist das Vorgehen der Groupe Mutuel stossend. Er stört sich daran, dass Krankenkassen den Rechtsvorschlag selber beseitigen können. «Das erhöht das Risiko ungerechtfertigter Betreibungen. Ich finde, dass diese Rechtspraxis in der Schweiz geändert werden sollte», so der oberste Betreibungsbeamte der Schweiz.

Denn: Wer von einer Krankenkasse betrieben wird, ist am kürzeren Hebel. Normalerweise kann man sich mit einem sogenannten Rechtsvorschlag gegen ungerechtfertigte Forderungen wehren. Im Spezialfall der Krankenkassen geht das nicht. Sie können eigenmächtig die Einsprüche der Betroffenen abschmettern.

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