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Tipps von einer Psychologin Wie man sich gesund von den Eltern löst

Kann man Eltern stolz machen und gleichzeitig ein selbstbestimmtes Leben führen? Tipps von einer Psychologin.

«Der ist doch nicht gut genug für dich» oder «Müsstest du nicht langsam mal einen Schritt weiterkommen im Job?»: Wer kennt sie nicht? Die ungefragten Kommentare der Eltern zur Partnerwahl oder zu Karriereentscheidungen. Es ist nervig bis sogar verletzend, wenn die Eltern ihre erwachsenen Sprösslinge wie Kinder behandeln.

Wie kann man sich als junge, erwachsene Person von diesen Mustern lösen? Psychologin Stephanie Karrer weiss, dass diese Abnablung von den Eltern nicht einfach ist. Wichtig sei es zu erkennen, dass dies kein Verlust, sondern ein Gewinn sei: die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Und: Die schnelle Ablösung von den Eltern gebe es nicht. «Es ist ein Prozess und es geht vor allem darum, anzufangen.»

Die folgende Checkliste der Psychologin kann helfen, diesen Prozess in Gang zu setzen.

Stephanie Karrer

M.Sc. in angewandter Psychologie

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Stephanie oder Stephie Karrer ist Psychologin und psychosoziale Familienbegleiterin. Sie ist Teil des SRF-Formats von « We, Myself and Why » und tritt regelmässig bei grösseren Fragen als Expertin auf.

1. Befreiung von den Erwartungen der Eltern

Die Person hat sich von den Erwartungen der Eltern befreit. Das bedeutet, dass sie nun das Leben führt, das sie selbst gestalten möchte, unabhängig davon, wie sich die Eltern das vorgestellt haben.

Dazu gehört auch, dass man für sich selbst spürt, wie viel Kontakt zu den Eltern guttut. Unabhängig von den Bedürfnissen der Eltern.

2. Eigene Erwartungen loslassen

Neben der Befreiung von den Erwartungen an die Eltern kann es auch sinnvoll sein, die eigenen Erwartungen an die Eltern loszulassen. Es ist hilfreich, zu akzeptieren, dass die Eltern vielleicht nicht alles bieten konnten, was man von ihnen gebraucht hätte. Dieser Prozess kann schmerzhaft sein, aber er öffnet auch Türen.

3. Grenzen setzen

Es ist allgemein wichtig, im Leben Grenzen zu setzen, doch dies kann besonders schwierig sein, wenn es um die Eltern geht. Oft fühlt man sich schuldig, wenn man nicht jeden Sonntag zum Essen kommt. Oder entschuldigt Sprüche, die man eigentlich nicht akzeptieren müsste.

Die eigenen Bedürfnisse zu spüren und zu respektieren, auch in der Anwesenheit der Eltern, ist besonders wichtig. Trotz enttäuschter Blicke.

Jedoch ist es wichtig zu realisieren, dass es keinen Konflikt braucht, um Grenzen zu setzen. Grenzen müssen nicht immer aus einer Not heraus entstehen.

4. Koffer ist ausgepackt

Die Metapher «Koffer auspacken» bedeutet, dass Eltern ihren Kindern während der Kindheit bestimmte Dinge mitgeben, und manche nicht.

Es liegt in der eigenen Verantwortung als erwachsene Person, diesen metaphorischen Koffer nach und nach auszupacken und zu prüfen, was darin enthalten ist und was davon sinnvoll ist – und was nicht. Zum Beispiel könnte in einer Familie das Weinen mit Schwäche assoziiert worden sein. Diese emotionale Prägung kann «ausgepackt» und neu definiert werden.

5. Selbstverantwortung wahrnehmen

Mit zunehmender Ablösung von den Eltern kommt man mehr in die Selbstverantwortung. Jetzt gilt es, wie ein guter Elternteil für sich selbst zu sorgen: liebevoll mit sich umzugehen und darauf zu achten, dass man sich das gibt, was man braucht.

Falls man später Kinder haben möchte, kann es hilfreich sein, bereits vorher mit der Verarbeitung von Kindheitsverletzungen zu beginnen. Denn alles, was in einer Generation nicht verarbeitet wird, hat Auswirkungen auf die folgenden Generationen.

SRF 2, Life @ SRF, 29.1.2024, 18:50 Uhr ; 

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