Chad Kolarik ist die prägende Figur der Kloten Flyers in der laufenden Saison. Der US-Amerikaner überzeugt mit Skorerqualitäten und Emotionen. Beim Torjubel am letzten Wochenende gegen Lausanne übertrieb es Kolarik allerdings und verletzte sich an der Schulter.
Der 29-Jährige wird daher die Spiele vom kommenden Wochenende verpassen, nach der Nati-Pause allerdings wieder mittun können. Wir nutzten die Zwangspause für ein Interview mit dem Amerikaner. Fragen zur Verletzung durften auf Wunsch der Kloten Flyers nicht gestellt werden.
Chad Kolarik, am Freitag treten ihre Teamkollegen gegen den ZSC an. Ich denke, Sie haben gute Erinnerungen an Ihr erstes Derby (am 25. September feierte Kloten nach 4 Niederlagen den 2. Saisonsieg, Anm. D. Red.)?
Kolarik: Ja, wir haben die Lions das letzte Mal im Hallenstadion geschlagen. Das war das Spiel, das uns auf die richtige Spur brachte für die Saison. Der Saisonauftakt war nicht so, wie wir ihn haben wollten. Aber nach diesem Match haben wir uns gewissermassen gefunden und angefangen, gutes Hockey zu spielen.
Nach dem Derby haben Sie 7 von 11 Meisterschaftspartien gewonnen. Sie würden das also als Wendepunkt bezeichnen?
Ja, auf jeden Fall. Es war ein grosser Sieg für unser Team. Nach Zürich zu gehen und das Topteam schlechthin zu schlagen – in dessen Stadion. Das war grosses Spektakel, wenn man so sagen will. Das war grossartig für das Team und förderte das Selbstvertrauen.
Wir haben nichts Vergleichbares in den USA.
Was hat Ihre Mannschaft danach besser gemacht?
Die Defensive ist viel besser. Zuletzt kassierten wir 5 Tore (gegen Lausanne, Anm. d. Red.) , aber vorher waren wir sehr gut. Zum Saisonstart hatten wir zunächst 7 Gegentore erhalten, dann 6 gegen Freiburg. Das war nicht gut. Aber wir haben daran gearbeitet und einige Dinge an unserem System geändert. Sean Simpson und Colin Mueller wissen, was sie tun. Sie haben Meisterschaften gewonnen und WM-Silber mit der Schweizer Nati. Sie sind gute Coaches. Wir müssen einfach das System weiterspielen, das sie von uns verlangen.
Sie sind gut in Form und mit 17 Punkten der Topskorer der Flyers. Machen es Ihnen die Teamkollegen leicht, zu skoren?
Ja, unsere Linie mit Matthias Bieber und James Sheppard ist gerade sehr gut. Die Chemie stimmt. «Biebs» ist gleich hinter mir, hat 16 Punkte. Und James 10 aus 5 Partien. Es ist eine gute Truppe. Ich bin froh, dass ich Teil davon bin. Die Dinge laufen gerade für uns.
Sehen Sie Bieber und Sheppard auch neben dem Eis?
Naja, «Biebs» nicht oft. Er hat gerade Hochzeitsvorbereitungen am Laufen und baut ein Haus. Er ist ziemlich beschäftigt neben dem Eis (lacht). James hie und da.
Sie sind mit Ihrer Frau und Ihrem Sohn hier. Bei Ihrer letzten Station in Omsk waren Sie nur kurz bei Ihnen, richtig?
Ja, sie haben Russland nach etwa zwei Monaten verlassen. Ich verbrachte den Rest des Jahres alleine. Das war hart. Ich verpasste ungefähr die ersten sieben Monate vom Leben meines Sohnes.
War es leichter für Sie, sich in der Schweiz einzuleben - nun, da Ihre Familie wieder vereint ist?
Sicher. Und kommt hinzu, dass jeder Englisch spricht. Es ist viel einfacher als in Russland. Die Sprachbarriere in Russland ist sehr, sehr gross. Hier in Kloten waren alle sehr freundlich und hilfsbereit mir und meiner Frau gegenüber. Sie haben uns beim Einleben sehr geholfen.
Ist es auch ein Vorteil für Sie, mit Simpson einen englischsprachigen Coach zu haben?
Ja, klar. Mein finnischer Coach in Russland (Raimo Summanen, Anm. D. Red.) hat nur Englisch gesprochen, kein Russisch. Es ist in etwa dasselbe. Aber Sean spricht fliessend Deutsch, er wechselt hin und her mit dem Team. Aber es ist offensichtlich einfacher, wenn der Coach Englisch spricht.
Raimo Summanen haben Sie in einem Interview als «ein bisschen verrückt» bezeichnet. Wie würden Sie Simpson beschreiben?
(lacht) Er ist definitiv nicht verrückt. Er ist mehr ein «Players Coach». Aber natürlich sagt er dir die Meinung, wenn es nötig ist. Meistens ist er aber ziemlich ruhig. Er kennt sein Business und spricht am meisten vor den Spielen. Während den Spielen macht er natürlich Änderungen, wo nötig, aber er steht nicht da und schreit die Leute an.
Denke ich immer noch jeden Tag an die NHL? Die Antwort lautet zu 100 Prozent ja.
Mit Omsk und Kloten kennen Sie die Schweizer Liga und die russische. Was sind die augenscheinlichsten Unterschiede?
Ich würde sagen, das Schweizer Hockey ist offener. Es ist wahrscheinlich die schnellste Liga, in der ich je spielte. Definitiv schneller als die AHL. Alle können sehr gut skaten. Ich denke, in Russland ist es mehr eine «Männer-Liga», viel älter. Man kann nicht unbedingt sagen stärker, aber viel physischer. In Russland ist es auch schwieriger für den Körper, man fliegt zwei bis drei Stunden durch zwei bis drei Zeitzonen. Hier hast du eine dreistündige Busfahrt, mehr nicht.
Gefällt es Ihnen also in der Schweiz?
Ja, wir haben schon ein paar Dinge unternommen. Wir sind zum Berggasthaus Äscher (im Appenzell, Anm. d. Red.) gewandert, haben schon Ausflüge nach Interlaken und an den Thunersee gemacht. In Spiez haben wir mal übernachtet. Die Seen sind wunderschön in der Schweiz und das Wasser so klar, das ist der Wahnsinn. Wir haben nichts Vergleichbares in den USA.
Nochmals zurück zu Nordamerika. Sie haben für die Blue Jackets und die Rangers 6 NHL-Einsätze absolviert. Ist es für Sie immer noch ein Ziel, in dieser Liga Fuss zu fassen, oder ist es eher ein Traum?
(zögert) Denke ich immer noch jeden Tag an die NHL? Die Antwort lautet zu 100 Prozent ja. Ich würde sehr gerne zurückgehen. Das steht ausser Frage. Man weiss nie, wenn ich eine gute Saison habe, dann wird vielleicht jemand aufmerksam auf mich. Aber ich denke nur an dieses Jahr und möchte Kloten helfen, wieder in die Playoffs zu kommen.
Sendebezug: SRF zwei, sportaktuell, 24.10.15, 22:35 Uhr