Nach aufopferungsvollem Kampf, 70 spektakulären Minuten und einem nervenaufreibenden Penaltyschiessen stand am Samstagabend in Prag der 3. Final-Vorstoss einer Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft an einer A-WM fest. Wer danach in die Gesichter der Beteiligten blickte, sah zweierlei: Pure Freude über den Sieg im Penaltyschiessen über Rekordweltmeister Kanada . Aber auch das Verlangen nach mehr.
«Wir waren zweimal im Final und konnten den ‹Kübel› nicht holen. Jetzt ist es an der Zeit, ihn zu holen», sagte etwa Nino Niederreiter ins Mikrofon. Bereits vor 11 Jahren nach dem gewonnenen Halbfinal gegen die USA (3:0) hatte Niederreiter den ‹Kübel› gefordert. Aber damals in Stockholm – und auch 5 Jahre später in Kopenhagen – behielt Schweden im Endspiel das bessere Ende für sich.
Das soll am Sonntagabend nicht noch einmal passieren. Im 3. Anlauf soll endlich der 1. WM-Titel her. Das gilt für keinen mehr als für Niederreiter, der zusammen mit Roman Josi und Reto Berra der einzige Schweizer Spieler im aktuellen Kader ist, der bereits 2 WM-Finals verloren hat.
Die Tschechen haben aufgerüstet
Was die Schweizer freuen dürfte: Erstmals treffen sie im Endspiel nicht auf Schweden. Dafür sorgte Tschechien, das in einem ebenso spektakulären Halbfinal «Tre Kronor» mit 7:3 besiegte. In der Gruppenphase hatte die Nati gegen die Tschechen einen 2:1-Sieg im Penaltyschiessen gefeiert. Doch seither hat sich beim WM-Gastgeber einiges getan – nicht zuletzt personell.
Denn das Team von Trainer Radim Rulik hat inzwischen mit David Pastrnak und Pavel Zacha (beide Boston) sowie Martin Necas (Carolina) namhafte NHL-Verstärkung in der Offensive bekommen. Während Bruins-Superstar Pastrnak nach 3 Spielen noch ohne Skorerpunkte dasteht, hat Necas bereits voll eingeschlagen: In 4 Partien gelangen ihm ein Tor, 5 Assists und eine Plus-5-Bilanz.
Die tschechische Equipe reitet auf einer Euphoriewelle, welche nach dem Coup gegen Schweden einen neuen Höchststand erreicht hat. Ein ganzes Land erwartet nun das 1. WM-Gold seit 2010. Eine Erwartungshaltung, welche Druck erzeugt, keine Frage.
Die Zeit ist reif
Der Druck auf den Schweizern ist nicht ganz so gross. Gold wird nicht erwartet. Trotzdem ist die Haltung im Nati-Fanlager diese: Die Zeit für den ganz grossen Coup ist reif.
Dafür müssen Josi und Co. noch einmal die letzten Energiereserven anzapfen. Sie brauchen den gleichen aufopferungsvollen Kampf wie gegen Kanada. Sie brauchen die offensiven Geniestreiche eines Kevin Fiala ebenso wie die unaufgeregte Defensivarbeit eines Dean Kukan. Und sie brauchen einen Leonardo Genoni im Tor, der so überragend hält wie am Samstag. Dann könnte der grosse Traum am Sonntagabend Wirklichkeit werden.