Gross waren die Ambitionen gewesen, als Norwegen die EURO-Kampagne im Vorjahr lancierte. Mit 6 Siegen in genauso vielen Partien und einem Torverhältnis von 34:1 war man nur so durch die Qualifikation gerauscht. Zudem war mit Ada Hegerberg die überlebensgrosse Figur des norwegischen Fussballs ins Team zurückgekehrt. Jene Frau, die mit Lyon 6 Mal die Champions League gewann, in der «Königsklasse» 59 Treffer erzielte – was Rekord ist.
Hegerberg gab nach knapp 5 Jahren Pause ihr Comeback im Nationalteam. Uneinigkeit bezüglich der Prämien mit dem Fussballverband hatten sie zum temporären Rücktritt bewegt. Doch das Turnier wurde zum Debakel. Einer 0:8-Pleite gegen England folgte ein 0:1 gegen Österreich, was das Vorrunden-Out bedeutete. Hegerberg stand ausser einer Viertelstunde immer auf dem Feld, blieb dabei aber ohne Tor.
Man führte dem Team mit nostalgischem Blick zurück zu erfolgreicheren Zeiten im Hinblick auf die WM 2023 eine weitere Ingredienz zu: Hege Riise wurde zur Cheftrainerin ernannt. Keine andere Norwegerin (und auch kein anderer Norweger) steht mehr für Erfolg als sie. Von 1993 bis 2000 führte sie als Aktive ihre Farben zu EM-, WM- und Olympia-Triumph.
Doch auch unter Riise droht eine Wiederholung der Geschichte. Wieder war man durch die Quali marschiert, doch nach der überraschenden Pleite gegen Neuseeland zum Turnierauftakt stehen die «Grashüpfer» wieder mit dem Rücken zur Wand. Gegen die Schweiz heisst es am Dienstag: verlieren verboten.
Eine gewisse Disharmonie im mit etlichen Weltstars bestückten Team – neben Hegerberg gehören fraglos auch Caroline Graham Hansen (Barcelona), Guro Reiten (Chelsea) oder Frida Maanum (Arsenal) dazu – liess sich nach dem Neuseeland-Spiel nicht wegdiskutieren. Da war etwa der kurze, aber so intensive wie gestenreiche Wutausbruch Hegerbergs nach Abpfiff.
Im Interview meinte Hegerberg anschliessend: «Ich bin sehr enttäuscht, und das sollten wir alle sein. Alles, was wir gemacht haben, war Stückwerk.» Auch Graham Hansen fand klare Worte und meinte resigniert: «Wir haben nichts auf die Reihe gekriegt. Wir gehen von Turnier zu Turnier und unterperformen.»
Gulbrandsens Glaube ist beschädigt
Verderben bei Norwegen zu viele (Star-)Köchinnen den Brei? Eine, die schon vor der WM dieser Meinung war, ist die ehemalige Nationalspielerin Solveig Gulbrandsen. Sie meinte gegenüber Aftenposten, sie sehe Weltstars, aber kein Team: «Mein Glaube ans Nationalteam ist derzeit etwas beschädigt.»
Tatsächlich schien es gegen Neuseeland so, als wäre neben all den Egos der Superstars kaum mehr Platz für zielführende Kombinationen. Die Schweizer Nati wird jedenfalls darauf hoffen, dass dies bis auf weiteres so bleibt.