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Schweizer Nati im Achtelfinal Viel Lärm um viel

26'000 Fans verwandeln das Dunedin Stadium in einen Hexenkessel. Sie sehen ein Happy End für die Schweiz und Hoffnung für den «Kiwi»-Fussball.

Es läuft die 14. Minute, als die Neuseeländerin Annalie Longo halbrechts knapp innerhalb des Strafraums zum Abschluss kommt. Ihr Volley, das wird schnell klar, bleibt komplett ungefährlich. Doch es ist der Moment, in welchem das Dunedin Stadium ein erstes Mal akustisch explodiert. Den knapp 26'000 Fans geht es um Lautstärke, nicht um eine korrekte Einschätzung.

Der Applaus, die Rufe von den Rängen: Sie entwickeln in der geschlossenen Arena eine spezielle Akustik, eine besondere Dynamik. Longos Abschluss markiert den Moment, in dem der Schweiz die Partie zu entgleiten beginnt. Nach druckvoller Startphase klappt plötzlich wenig. Die Präzision am Ball und im Positionsspiel fehlt, es geht um viel, die Nervosität ist entsprechend spürbar. Einige Male hat die Nati Glück. Vor allem, als Jacqui Hands schöner Heber am Pfosten landet.

Nach dem Seitenwechsel funktioniert der Matchplan besser, die Schweiz gewinnt die Kontrolle zurück. Auch weil Ramona Bachmann zentral hinter die Doppelspitze zurückgezogen wird. Top-Chancen bleiben Mangelware.

In der vierten von insgesamt acht Minuten Nachspielzeit wird der Lärm noch einmal ohrenbetäubend. Ein streng gepfiffener Freistoss von der rechten Seite stiftet den Heimfans die Hoffnung, doch noch dieses eine Tor zu erzwingen, den Türöffner in den Achtelfinal zuhause in Auckland. Prompt kommt die aufgerückte Keeperin Victoria Esson zum Kopfball. Dank eines «Goalie-Goals» weiter – was wäre das für eine Geschichte gewesen!

Doch das Leder geht klar am Tor vorbei, der Lärm ebbt ab. Kurze Zeit später ist Schluss. Etliche Nati-Fans bleiben noch im Stadion, feiern Inka Grings’ Team, das auch nach 3 Spielen noch ohne Gegentor dasteht. Gewinnen erstmals an diesem Abend die stimmliche Überhand. Das Ziel ist erreicht, die Schweiz steht wie 2015 in der K.o.-Phase. Es ist auch im Hinblick auf die Heim-EM 2025 ein wichtiger Meilenstein.

Und für die «Football Ferns» gilt: «Viel Lärm um nichts»? Keineswegs! Über 100'000 Zuschauerinnen und Zuschauer wurden für die 3 Partien der Neuseeländerinnen in die Stadien gelockt. Die Saat für eine vielversprechende Zukunft ist gestreut. In einem Land, in dem es der Fussball bislang schwer hat, sich nicht nur hinter Rugby, sondern auch hinter Cricket und bei den Frauen hinter Netball anstellen muss.

Wir wollten eine ganze Nation stolz machen und inspirieren. Das haben wir geschafft.
Autor: Jitka Klimkova Neuseeland-Trainerin

Eine sichtlich gerührte Jitka Klimkova fand jedenfalls ausschliesslich positive Worte für ihre Equipe. Die Neuseeland-Trainerin meinte: «Diese Mädchen verdienen diese Aufmerksamkeit. Wir wollten eine ganze Nation stolz machen und inspirieren. Das haben wir geschafft.» Man habe eine «riesige Lektion gelernt». Mit sieben Debütantinnen holte der Co-Gastgeber vier Punkte und blieb zweimal ohne Gegentor, rechnete Klimkova vor. «Fast hätten wir Geschichte geschrieben.»

Immerhin: Den ersten WM-Sieg und viele gesammelte Sympathiepunkte als Gastgeber sowie den Ruf als kämpferische Gegnerinnen dürfen sich die Neuseeländerinnen auf die Fahne schreiben. Die Hoffnung, dass die Euphorie nachhaltig ist, lebt.

Dieser Sonntagabend in Dunedin vor 26'000 Fans könnte also aus neuseeländischer wie Schweizer Sicht folgendermassen zusammengefasst werden: «Viel Lärm um viel.»

Frauen-WM in Australien und Neuseeland

SRF zwei, Sportlive, 30.7.23, 9 Uhr

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