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FIFA WM 2014 Wenn ein System den Zenit überschreitet

Die WM in Brasilien hat die Schwachstellen der spanischen Nationalmannschaft gnadenlos aufgezeigt. Die Niederlande und Chile zogen dem Titelverteidiger und Mitfavoriten den Zahn – und dürften mitverantwortlich dafür sein, dass bei der «Furia Roja» nun der überfällige Umbruch eingeleitet wird.

Im legendären Maracana-Stadion von Rio de Janeiro wollten die Spanier am 13. Juli im WM-Final die Titelverteidigung angehen. Stattdessen mussten sie 3 Wochen früher an gleicher Stätte vor 74‘101 Zuschauern mehr oder minder machtlos zusehen, wie Chile ihrer 6 Jahre dauernden Regentschaft ein Ende setzt. Bei Trainer Vicente del Bosque sass der Schock an der Medienkonferenz tief. «Ich hätte nie gedacht, dass wir die WM nach der 1. Runde verlassen würden», gestand er.

Alonso: «Hatten den Hunger nicht mehr»

Während sich die Chilenen aufopferten, rannten die Spanier zwar an, konnten sich aber nur allzu selten durchsetzen. Hatten die Iberer an der EURO 2008, der WM 2010 und der EURO 2012 in 19 Spielen nur 6 Gegentreffer zugelassen, waren es nun in 2 Partien 7. «Wir wussten nicht, wie wir unseren Hunger oder die Überzeugung, die es für den Titelgewinn braucht, aufrechterhalten können», so Xabi Alonso. «Die Hingabe war nicht da», sagte auch Keeper Iker Casillas und haderte: «Von Beginn an lief alles schief.»

Nur 7 neue Gesichter in 4 Jahren

Doch ein anderer Grund greift tiefer: Trainer Del Bosque hielt fast schon verbissen an seinem System und seinen Akteuren fest. Von den Mittelfeldspielern und Stürmern waren 8 schon von seinem Vorgänger Luis Aragones beim ersten EM-Titel 2008 aufgeboten worden. Im Vergleich zur WM 2010 in Südafrika kamen nur 7 neue Gesichter bei den Iberern dazu, 16 Spieler waren schon beim erstmaligen WM-Gewinn dabei gewesen.

Verhängnisvolle Systemtreue

Diese Konstanz mag ein Teil im Erfolgspuzzle gewesen sein – das andere war das System des «Tiki-Taka». Doch dieses verpuffte wirkungslos, 60 Prozent Ballbesitz gegen die Niederlande und deren 58 gegen Chile brachten Spanien nicht den gewünschten Erfolg. Im Nachhinein wirkt Xavis Aussage vor dem WM-Auftakt wie eine unheilvolle Prognose, sagte er doch: «Wir gewinnen oder wir sterben mit diesem Stil.»

Neben dem entlarvten Spielsystem birgt die Abhängigkeit von gewissen Spielern eine weitere Problematik. So wurde auch die «Seleccion» angreifbar, als der Motor von Spielmacher Xavi – wie schon in der abgelaufenen Saison bei Barcelona – ins Stocken geriet. Del Bosque setzte den 34-Jährigen gegen Chile gar nicht mehr ein. Seine Nationalmannschafts-Karriere sowie diejenige von Alonso und Casillas dürfte sich nun dem Ende zuneigen. Del Bosque selber liess seine eigene Zukunft offen.

Geschockte Presse

Die spanische Presse reagierte selbstredend geschockt auf das frühe Aus. «Zerschellt», titelte die Marca. El Mundo deportivo schrieb nüchtern: «2:0 - Spanien verabschiedet sich durch die Hintertür». El Pais zog gar den Vergleich zum Untergang der Titanic. Und die italienische Gazzetta fasste treffend zusammen: «Das Ende von Barcelona bis zur Furia Roja, das Ende einer Epoche».

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