Vor dem Viertelfinal gegen Kroatien herrscht in Brasiliens Team nicht nur aufgrund des beschwingten Auftritts beim 4:1 gegen Südkorea gute Stimmung. Denn: Notorische Bankdrücker gibt es im Kader von Trainer Tite keine. Zum ersten Mal in der über 90-jährigen WM-Geschichte hat eine Mannschaft während eines Turniers 26 Spieler eingesetzt – und damit alle, die in Katar dabei sind.
Im Achtelfinal erhielt sogar Weverton noch ein bisschen Spielzeit. Der Goalie von Palmeiras ist hinter den Premier-League-erprobten Alisson Becker (Liverpool) und Ederson (Manchester City) normalerweise nur dritte Wahl. Gegen Südkorea durfte der 34-Jährige die letzten 10 Minuten bestreiten.
«Es ist immer sehr schwierig, einen Goalie auszuwechseln. Aber wenn man die Möglichkeit hat, ist das sehr positiv», sagte Tite nach der Partie. Sein Vorgehen ist mehr als nur ein Zückerchen an die Spieler, die sonst eher keine Einsatzzeit erhalten.
Als er nach dem 0:1 gegen Kamerun im abschliessenden Gruppenspiel dafür kritisiert wurde, dass er eine B-Elf auf den Platz geschickt hatte, wurde Tite deutlich. «Die physischen Anforderungen an einer WM werden jedes Mal grösser», begründete er. Es gelte, die Belastung auf die Spieler zu verteilen. Als Negativ-Beispiel führte Tite Polen an, das im letzten Gruppenspiel gemäss Analysen 40 Prozent weniger Intensität auf den Platz brachte – und personell wenig rotierte.
Alves nicht nur Maskottchen
Auch Teamsenior Dani Alves, der mit seinen 39 Jahren gegen Südkorea ebenfalls für einige Minuten Auslauf erhielt, betonte die Wichtigkeit voller Batterien. «Nur dank der Mannschaft, die gegen Kamerun gespielt hat, waren wir in der Lage, mit dieser Energie aufzutreten. Denn die anderen Spieler hatten genügend Zeit, sich zu erholen.» Alves war im Vorfeld in einigen brasilianischen Medien noch als Maskottchen belächelt worden. Er sei vor allem wegen seiner Qualitäten als Stimmungskanone aufgeboten worden, hiess es.
Gegen Kroatien dürfte Tite dennoch eher auf Experimente verzichten. Sollte die Startaufstellung gleich aussehen wie im Achtelfinal, würde das kaum jemanden überraschen. Dass der erste Anzug viel besser sitzt als der zweite, konnte die «Seleçao» nämlich bisher ebenfalls nicht verbergen.