Sie war ein echtes Sommermärchen, die Women's EURO in der Schweiz. Volle Stadien, eindrückliche Fanmärsche, eine mitreissende Nati. Die einhellige Meinung nach dem Turnier: Die EM war ein Glücksfall für den Frauenfussball hierzulande.
Knapp drei Monate sind seit dem Final-Triumph der Engländerinnen vergangen. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Was ist vom Heim-Turnier geblieben?
Boom bei den Mädchen – Die augenscheinlichsten Auswirkungen hatte die EURO auf den Juniorinnen-Fussball. Vor Beginn der neuen Saison wurden zahlreiche Klubs regelrecht überrannt von Mädchen, die Fussball spielen wollen. So erfreulich dieser Boom auch ist – er bringt auch Herausforderungen mit sich. Vor allem kleinere Vereine stossen punkto Trainingsfelder, Coaches oder Infrastruktur an ihre Grenzen.
Keine Zuschauer-Explosion in den WSL-Stadien – Von der EURO war man sich ausverkaufte Stadien gewöhnt. Und das färbte zum Teil auch auf die Women's Super League ab. Die YB-Frauen setzten zum Beispiel über 2000 Saisonkarten ab. Das sind 5 Mal mehr als noch im Jahr zuvor. Doch ein flächendeckender, merklicher Aufschwung ist bislang ausgeblieben. So sagt Jana Brunner vom FC St. Gallen: «Man kann nicht von einem riesigen Zuschauer-Boom sprechen.» Im Schnitt 434 Fans kamen bislang an die Spiele der FCSG-Frauen, bei Kantonsrivale Rapperswil-Jona gar nur 173. Aktuell ist der Zuschauer-Schnitt in der WSL im Vergleich zur Vorsaison um rund 14 Prozent höher. Die Steigerung wäre indes klar grösser, hätten die YB-Frauen nicht bloss zwei ihrer acht Partien zu Hause gespielt.
Es gibt bei uns im Klub einzelne Spielerinnen, die ihr Arbeitspensum reduzieren konnten. Aber wir sprechen hier nicht von 50 Prozent, eher von 20 bis 30 Prozent.
Noch ein weiter Weg bis hin zum Profitum – Zahlreiche Natispielerinnen stehen bei europäischen Topklubs wie Barcelona, Chelsea oder Juventus unter Vertrag und können den Traum vom Fussballprofi leben. Davon ist man in der Schweiz auch nach der Heim-EM noch weit entfernt. FCSG-Kapitänin Brunner dazu: «Es gibt bei uns im Klub einzelne Spielerinnen, die ihr Arbeitspensum reduzieren konnten. Aber wir sprechen hier nicht von 50 Prozent, eher von 20 bis 30 Prozent.» Vom Fussball leben kann bei den St. Gallerinnen keine.
Dr. Stefan Legge von der Universität St. Gallen rechnet vor, dass für einen Profibetrieb mit rund 20 Spielerinnen und einem ähnlich grossen Umfeld/Staff «rund 8 Millionen Franken jährlich» nötig wären. Auf SRF-Anfrage machten nur drei der zehn WSL-Klubs Angaben zum Etat ihrer Frauen-Equipe. In Rapperswil-Jona fliessen rund 200'000 bis 250'000 Franken ins WSL-Team, bei GC sind es rund 3 Millionen Franken und beim FCB «eine kleine siebenstellige Summe».
Deshalb ist klar: Bis zu einer Schweizer Frauen-Profiliga ist es noch ein sehr weiter Weg. Sollte die Wachstumsrate jedoch hoch bleiben, so kann sich Legge vorstellen, dass einzelne Klubs in einigen Jahren bereits voll professionelle Teams stellen können.