Nicht wenige rieben sich verdutzt die Augen, als Inka Grings beim letzten WM-Kaderschnitt verkündete: Riola Xhemaili muss zuhause bleiben. Zu wenig Spielpraxis habe die 20-Jährige in der Rückrunde beim SC Freiburg erhalten. Statt dem jungen Talent mit der filigranen Technik durfte die physisch stärkere Coumba Sow die Reise nach Neuseeland antreten.
Die Mittelfeldspielerin gibt sich beim ersten Nati-Zusammenzug nach der WM einsichtig und angriffig zugleich. Klar sei sie enttäuscht gewesen, aber: «Das hängt mir nicht mehr nach. Ich bin keine perfekte Spielerin, habe meine Defizite. Es wurde klar besprochen, woran ich arbeiten kann. Das habe ich gemacht.» Damit meint sie vor allem die Physis. Im körperlichen Bereich gab es noch Nachholbedarf.
Inwieweit diese Arbeit schon Früchte trug, dürfte sich demnächst zeigen: Am Freitag gegen Italien und am Dienstag im Duell mit Spanien will Xhemaili im Rahmen der erstmals ausgetragenen Women's Nations League ihr Können im Nati-Dress unter Beweis stellen.
An der WM durfte sie dies bekanntlich nicht. Aus der Not machte sie eine Tugend, versuchte, die plötzlich deutlich längere Vorbereitung bei ihrem neuen Klub VfL Wolfsburg bestmöglich zu nutzen. «Jeden Tag mit solchen Spielerinnen trainieren zu können ist Hammer! So kann ich mich weiterentwickeln», schwärmt die gebürtige Solothurnerin von ihren ersten Erfahrungen bei den Champions-League-Finalistinnen.
Ich bin 20 Jahre alt, habe hier 3 Jahre Vertrag, habe Zeit und keinen Stress.
Eine erste Kostprobe ihres Könnens gab sie bei den «Wölfinnen» beim 4:1-Sieg im Testspiel gegen den PSV Eindhoven ab. Das zwischenzeitliche 1:1 durch Alexandra Popp bereitetet Xhemaili mustergültig vor, dazu verzeichnete sie einen Pfostenschuss.
Gefährdet der Wolfsburg-Wechsel die Heim-EM?
Zum Bundesligastart stand sie indes nicht im Aufgebot, sondern musste mit 90 Minuten Einsatzzeit in Wolfsburgs 2. Team vorliebnehmen. Dabei wäre ein Stammplatz im Hinblick auf die Heim-EM 2025 elementar. Doch das vermag Xhemaili nicht aus der Fassung zu bringen: «Ich bin 20 Jahre alt, habe hier 3 Jahre Vertrag, habe Zeit und keinen Stress. Inka entscheidet dann, wie sie das sieht. Für mich ist es ein guter Schritt.»
Es wäre schade, käme die Schweizer Nati nicht in den Genuss von Xhemailis Künsten. Sie gilt als eines der grössten Talente im nationalen Fussball. Doch von genau jenem Prädikat distanziert sie sich: «Es gibt 16-jährige Topspielerinnen, mit 20 ist man heutzutage im Fussball nicht mehr jung.» Es gehe nicht darum, als Supertalent zu gelten, sondern «zu beweisen, dass man es schafft». Und genau das will Riola Xhemaili.