Zum Inhalt springen

9 Monate vor der Heim-EM Deutschlands Nationalelf: Flick ist weg, die Baustellen bleiben

9 Monate vor der Heim-EM brennt beim DFB der Baum. Auch bei den Frauen wackelt der Trainerstuhl.

Es hatte so schön begonnen. Hansi Flick, von Experten über Fans bis hin zu den DFB-Funktionären unisono als Ideallösung für den deutschen Trainerstuhl beurteilt, stellte direkt einen Rekord auf. Die ersten 8 Partien unter seiner Leitung zwischen September 2021 und März 2022 gewann Deutschland allesamt. Dass die Gegner von eher niederer Qualität waren (je 2 Mal Liechtenstein und Armenien, dazu kamen unter anderen Nordmazedonien und Rumänien), verkam bei aller Euphorie zur Randnotiz.

Hochdekoriert vom FC Bayern gekommen, sollte Flick die zahlreichen Baustellen kitten. Seine erste Medienkonferenz gab er – unklar, ob gewollt mit Symbolkraft – auf der Baustelle des DFB-Campus in Frankfurt. Doch sollte der vermeintliche Heilsbringer seinen Posten nur 770 Tage nach Amtsantritt wieder räumen. Denn aus den weiteren 17 Partien resultierten nur noch 4 Vollerfolge. Weniger als die Hälfte der Spiele gewonnen – das war bei 10 Vorgängern nur Erich Ribbeck passiert.

Erster entlassener Trainer in der DFB-Geschichte

Die Folge war, dass Flick als erster Trainer in der 123-jährigen Geschichte des deutschen Fussballbundes geschasst wurde. Jürgen Klinsmann nach dem Sommermärchen und Jogi Löw als Weltmeister-Coaches traten mit besonderen Meriten zurück, Berti Vogts und erwähnter Ribbeck unter grossem Druck – aber dennoch von sich aus.

Ein wildes 3:3 gegen die Ukraine sowie Niederlagen gegen Belgien, Polen, Kolumbien und als jener Tropfen, der für Flick das Fass zum Überlaufen brachte, das 1:4 gegen Japan. Rund 9 Monate vor der Eröffnung der Heim-EM herrscht in Deutschland Panik statt Vorfreude auf ein nächstes mögliches Sommermärchen.

Es mangelt an allen Ecken und Enden. Die Defensive wackelt, nur einmal in den letzten 9 Spielen blieb man ohne Gegentor (2:0 gegen Peru). In der Offensive fehlt die Durchschlagskraft. Weltklasse-Spieler wie einst Toni Kroos oder Philipp Lahm beim WM-Titel 2014 geniessen Seltenheitswert.

«#ZSMMN» mit der «Mannschaft»

Deutsche Erfolge sind seither rar. Es gab jeweils ein Vorrunden-Out an den Weltmeisterschaften in Russland und Katar, an der letzten EM war im Achtelfinal Endstation. Doch es sind nicht nur die mangelnden Resultate und uninspirierten Auftritte, die zu einem mittlerweile zerrütteten Verhältnis zwischen Fans und Team sorgen, sondern auch das lieblose Branding: Der sperrige Hashtag #ZSMMN (für zusammen) im Rahmen der WM-Kampagne 2018 sowie der lieblose Slogan Die Mannschaft trieben die Entfremdung voran, die TV-Quoten sinken seit längerem.

Interimistisch übernimmt Rudi Völler, als Wunschlösung gilt Julian Nagelsmann. Dieser würde aufgrund seines noch gültigen Vertrages beim FC Bayern eine hohe Ablöse kosten. Ausser, die Münchner kommen dem finanziell eingeschränkten DFB entgegen.

Auch Voss-Tecklenburg wackelt

Die Sorgen auf dieser Position beschränken sich nicht auf die Männer. Auch die Zukunft von Martina Voss-Tecklenburg ist offen. Die Trainerin der Frauen ist aktuell krank gemeldet, weshalb auch die Analyse des frühestmöglichen Outs an der WM in Australien und Neuseeland noch nicht vorgenommen wurde. Laut Bild ist sie «mental und körperlich angeschlagen». Zumindest die Nations-League-Partien im September verpasst sie.

In Deutschland wird seit Jahren von den vielen Baustellen beim DFB und dem notwendigen Umbruch gesprochen. Nun ist er dringlicher denn je. Viel Zeit bleibt nicht, wenn die Heim-EM 2024 der Männer ein neues Sommermärchen werden soll.

SRF zwei, sportlive, 09.09.2023, 20:10 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel