Belgien ist ein gespaltenes Land, das erlebt Benelux-Korrespondent Sebastian Ramspeck tagtäglich: «Sie müssen sich Belgien wie ein zerstrittenes Ehepaar vorstellen. Da gibt es die holländisch sprachigen Flamen und die französisch sprechenden Wallonen und die wollen nicht miteinander, die würden am liebsten gar nicht miteinander zusammenleben, aber die Scheidung haben sie nicht eingereicht, denn die wäre einfach zu teuer. Und jetzt hat dieses Ehepaar ein kleines Baby, an dem es plötzlich gemeinsam Gefallen gefunden hat: das ist eben diese Nationalmannschaft, die Roten Teufel, und in der ist alles etwas anders als sonst in Belgien.»
Die Flamen und die Wallonen in der Nationalmannschaft etwa gehen gemeinsam essen und das ist für die belgischen Zeitungen eine kleine Sensation. Bei der belgischen Fussball-Nationalmannschaft spielen Herkunft und Sprache plötzlich keine Rolle mehr.
«Jérôme, sei unser Nachbar!»
Auch Deutschland ist durch den Fussball verändert worden, spätestens seit dem sogenannten Sommermärchen 2006, als Deutschland der Welt ein sympathisches und stolzes Gesicht zeigen konnte.
Doch etwas ist seit der Flüchtlingskrise anders geworden, erzählt SRF-Korrespondent Adrian Arnold aus Berlin: «Politische Gruppierungen und Parteien rechts von der CSU missbrauchen Begriffe wie Nationalität und Identität in Verbindung mit der Nationalmannschaft. Als auf Schokoladenriegel Kinderfotos von Nationalspielern – auch des farbigen Jérôme Boateng – abgedruckt wurden, da hat sich die Pegida «Sektion» Bodensee auf Facebook zu Wort gemeldet: ‚Vor nichts wird halt gemacht, gibt’s die echt so zu kaufen?‘. Das hat enorm heftige Reaktionen ausgelöst. Und kurz darauf hat der Vizepräsident der AfD in einem Interview gesagt: ‚Die Leute finden ihn als Fussballspieler gut, aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbar‘.»
Die Reaktion der Fans liess nicht auf sich warten – beim Testspiel gegen die Slowakei hiess es überall auf Transparenten: «Jérôme, sei unser Nachbar». Und Nationalspieler Benedikt Höwedes schrieb: «Wenn du für Deutschland Titel gewinnen willst, dann brauchst du Nachbarn wie ihn.»
«Dann geht doch!»
Die hässliche Seite des Fussballs war aber auch in der Schweiz zu spüren. Mit dem UEFA-Neumitglied Kosovo stellte sich natürlich auch die Frage, ob jetzt Behrami und Co. das Schweizer Nationalteam verlassen würden. «Dann geht doch!», titelte etwa der Blick .
Für Bernard Thurnheer sind hier die Spieler etwas alleine gelassen worden: «Ich würde es begrüssen, wenn die UEFA oder sogar die FIFA hier eine klare Regelung beschliessen würden, die den Druck von den Spielern etwas wegnimmt.»
Und für Thurnheer ist klar, die Schweizer Nationalspieler wollen alle für die Schweiz spielen und weist bei #SRFglobal auch noch auf einen anderen positiven Effekt hin – bei der Secondo-Generation gibt es keinen Röstigraben: «Es ist interessant, dass dieser Röstigraben sogar zugeschüttet wird, man sagt nicht die Romandie hat drei Balkanspieler oder die Deutschschweiz – die Secondo-Generation ist wie eine Masse, die unser Land kittet.» Womit wir wieder beim positiven Effekt von Fussball wären…
Sendebezug: SRF 1, #SRFglobal, 07.06.2016, 23:25 Uhr