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Internationale Ligen Stocker: «Habe gelernt, dass es nur schwarz und weiss gibt»

Valentin Stocker spricht im Interview über Hertha Berlin und seinen Nicht-Rücktritt aus dem National-Team. Zudem erklärt der Innerschweizer, warum er zu den Medien ein distanziertes Verhältnis pflegt.

Valentin Stocker, wie geht es Ihnen?

Stocker: Sehr gut, man muss aber immer relativieren. Im letzten Spiel kam ich nicht zum Einsatz und wir haben verloren (1:2 gegen Schalke, die Red.). Man fühlt sich nicht gut, wenn man draussen sitzt und nicht helfen kann, es aber auch gern möchte. Aber ganz generell fühle ich mich sehr wohl in Berlin. Die Stadt ist sensationell und die Trainings sind sehr gut. Es macht sehr viel Spass.

Ihr Trainer Pal Dardai hat gesagt, den richtigen «Stocki» habe man in dieser Saison noch nicht gesehen. Die Pause hätte ihnen aber gut getan. Stimmen Sie zu?

Teilweise. Es ist immer schwierig, das selbst zu interpretieren, was die Medien aus einem Trainergespräch aufgeschrieben haben. Was man in Berlin insofern sicherlich lernen muss: Es ist immer entweder schwarz oder weiss. Ich weiss, wie der Trainer mich einschätzt, wir reden ja intern miteinander. Ich war ja auch ein Teil der Spieler, die den besten Saisonstart der letzten 8 Jahre hingelegt haben, stand in den ersten 7 Spielen in der Startformation. Natürlich ist der Fokus nicht so auf mir wie Ende der letzten Saison, als ich beinahe an jedem Tor beteiligt war. Aber ich weiss, dass ich weiter hart arbeiten muss, um wieder an meine Leistungsgrenze zu kommen.

Vielleicht sollte ich mal eine Medienkonferenz geben, um die Dinge klarzustellen

Ist das Knie bzw. die gereizte Patellasehne wieder in Ordnung?

Ja, aber ab einem gewissen Alter macht man im Fussball nur noch wenig Spiele, in denen man nicht irgendetwas spürt. Ich wollte einfach nicht, dass mir das Gleiche passiert wie in Basel. Ich fühlte mich nicht mehr gut, bin trotzdem rausgegangen und habe das Kreuzband gerissen. Damals habe ich zu mir gesagt: ‹Eigentlich hast du es in der Halbzeit gemerkt, dass du nicht mehr kannst, warum stehst du nicht auf und sagst: Sorry, jetzt geht es einfach nicht mehr.›

Das Ende der EM-Quali haben Sie verpasst. War der Frust gross?

Nein, ich bin davon ausgegangen, weil ich wusste, dass wir es schaffen würden. Als ich mit Herrn Petkovic telefoniert habe, teilte ich ihm mit, dass es vielleicht gescheiter ist, wenn ich nicht komme. Er meinte, ich solle meine Zeit beim Klub nützen. Aus meiner Sicht ging das Ganze sehr korrekt über die Bühne.

Stockers Handy klingelt, es ist sein ehemaliger Mental-Trainer Christian Marcolli, der beispielsweise Yann Sommer betreut.

Treffen Sie Ihren Mental-Coach noch?

Nein, zu lange nicht mehr (lacht). Wir telefonieren ab und zu, sind mittlerweile Kollegen. Er weiss, dass ich weiss, wie es funktioniert. Es kann sein, dass er anruft und sagt: Deine Ausstrahlung ist immer gefährlich, auch wenn du nicht skorst. Dann weisst du: Bleib auf diesem Weg.

Machen Sie noch gewisse Übungen?

Ja, ganz klar. Aber mehr vor oder nach dem Spiel, nicht zuhause oder so. Oder in wichtigen Situationen wie dem Slowenien-Spiel. Da wusste ich, es wird nicht einfach.

Wenn ich im Klub spiele, denke ich, dass ich an die EURO fahren werde

Die EURO 2016 ist nicht mehr weit weg. Machen Sie sich Sorgen, Ihren Stammplatz zu verlieren?

Im Fussball ist es einfach so, wenn ich hier im Klub nicht spiele, bin ich auch kein Thema für die Nati. Und wenn ich hier zum Einsatz komme und gute Leistungen bringe, werde ich, so denke ich, dabei sein. Ich gehe davon aus, dass ich am Wochenende (gegen Ingolstadt, die Red.) wieder eine Chance kriege. Diese will ich dann nutzen.

Im November stehen die Testspiele gegen die Slowakei und Österreich an. Nehmen Sie das Aufgebot an, falls eines kommt?

Ja.

Also kein Rücktritt?

Nein! Vielleicht sollte ich mal eine Medienkonferenz geben, wenn ich weiss, dass alle zuhören. Damit ich die Dinge etwas klarstellen kann. Es ist nun einmal so, dass ich mit den Medien nicht so viel mache wie es andere tun. Hier in Berlin gibt es 8 Tageszeitungen, wenn du einer etwas sagst, sind die anderen 7 sauer. Es gibt eine grosse Eigendynamik, grossen Konkurrenzkampf der Medien und plötzlich können auch mal Geschichten oder Halbsätze auftauchen, die nicht immer der Wahrheit entsprechen.

Eine Publikation stellte Ihren Rücktritt aus dem Nationalteam in den Raum.

Ich habe nie etwas gesagt, das in diese Richtung geht. Und wenn es so wäre, würde ich nicht diesen Weg wählen. Dann würde ich hinstehen und sagen: Aus diesen Gründen passt es nicht, tschüss.

Warum machen Sie wenig mit den Medien?

Ich habe nicht so Lust dazu – das müssen einfach alle akzeptieren. Ich habe grundsätzlich das Gefühl, es wird zu sehr verknappt, zu viel weggelassen, was aber für den Kontext wichtig ist. Das trägt mir in meiner Karriere nicht immer Positives ein. Das hat man auch in der Schweiz gesehen, vielleicht jedoch müsste ich genau das Gegenteil machen – eben mehr kommunizieren.

Die Rückmeldungen sind komplett anders, seit ich nicht mehr in Basel bin

Müssen Sportler nicht auch Stellung beziehen? Es bleibt doch nach solchen Geschichten immer etwas haften.

Natürlich müssen sie das. Doch man kann sich auch ein paar Tage Zeit lassen, um genau zu überlegen, wie man was sagen möchte. Aber wenn ich jetzt von vorne beginnen müsste, dann müsste ich ins Jahr 2008 zurück. Ich merke jetzt, da ich weit weg bin von der Schweiz, dass ich viele positive Rückmeldungen erhalte. Nicht nur aus meinem Umfeld, sondern auch wenn ich in der Schweiz bin. Es ist plötzlich komplett anders, weil ich nicht mehr bei Basel bin. Das ist sehr interessant für mich zu beobachten.

Sie wirken etwas gebrannt.

Nein, das ist nicht so. Fussballer ist für mich der schönste Beruf der Welt, wird es immer bleiben. Aber ich glaube, man sollte immer wachsam sein, weil man neben dem Platz nicht nur Positives erfährt. Was das anbelangt, ist Fussball nicht anders als andere Jobs, auf denen der öffentliche Fokus liegt.

Wie gross ist die Vorfreude auf Frankreich?

Gross. Als Spieler an einer WM und einer EM dabei zu sein, ist sicherlich etwas sehr Schönes.

Sendebezug: Radio SRF 3, Abendbulletin, 17.10.2015 18:05 Uhr.

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