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FCZ-Legende über die Nati Tihinen: «Gegen Finnland verlieren und dann die EM gewinnen»

Finnland war schon ein angenehmerer Testspielgegner, als er das am Mittwoch in St. Gallen für das Schweizer Nationalteam sein dürfte. Die «Uhus» erleben gerade ihren fussballerischen Höhepunkt und haben sich sogar für die EM in diesem Sommer qualifiziert.

Wenn einer beide Seiten kennt, dann ist das Hannu Tihinen. Der langjährige Verteidiger des FC Zürich ist seit 2014 Sportdirektor der finnischen Nationalmannschaft und hat den Durchbruch hautnah miterlebt. Im Interview mit SRF erzählt er, wieso Finnland das Testspiel gegen die Nati gewinnt, welcher Ort in der Schweiz für ihn zu den schönsten auf der Welt gehört und weshalb der finnische Fussball in Zukunft noch besser wird.

Hannu Tihinen

Sportdirektor finnisches Nationalteam

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Hannu Tihinen ist ein ehemaliger finnischer Nationalspieler. Der heute 44-Jährige absolvierte 76 Länderspiele (5 Tore). Von 2006 bis 2010 spielte der Verteidiger beim FC Zürich, wo er 2007 und 2009 den Meistertitel gewann. Unvergessen ist sein Tor mit der Hacke, dank welchem der FCZ in der Champions League 2009 sensationell Milan schlug.

SRF Sport: Hannu Tihinen, beginnen wir ganz allgemein. Welchen Stellenwert hat der Fussball in Finnland?

Hannu Tihinen: In den letzten Jahren war der Fussball oft in den Medien. Die Popularität ist gestiegen. Wir haben etwa 130'000 lizenzierte Spieler, 50 Prozent davon sind 12 Jahre alt oder jünger. Die grösste Herausforderung ist also noch immer, dass mehr Erwachsene Fussball spielen. Wir haben dazu einige Strategieprojekte gestartet.

Trotzdem hat Fussball gegen Eishockey in Finnland keine Chance, oder?

Finanziell ist Eishockey immer noch die grösste Sportart, das stimmt. Der Fussball hat aber damit begonnen, den Status des Eishockeys etwas in Frage zu stellen. Die Popularität steigt ständig. Natürlich hat Hockey eine sehr lange Tradition. Es wird sicher noch Jahre dauern, bis der Fussball da mithalten kann. Aber es geht in die richtige Richtung. In Sachen lizenzierte Sportler gibt es jetzt schon doppelt so viele Akteure im Fussball wie im Eishockey.

Finnland konnte sich für die bevorstehende EM und damit erstmals für ein grosses Turnier qualifizieren. Was löste das in der Bevölkerung aus?

Der 15. November 2019 war ein wunderschöner Tag für Finnland. An jenem Tag haben wir zuhause Liechtenstein besiegt und die Qualifikation klargemacht. Es gab ein grosses Fest, wir werden diesen Tag nie vergessen. Das gibt der ganzen Nation mehr Selbstvertrauen, ein wunderschöner Moment.

Mitten im Schnee zu spielen, ist für den Gegner immer unangenehmer als für uns. Vielleicht ist das der wichtigste Punkt.

Was macht das finnische Nationalteam besser als zu Ihren Zeiten als aktiver Spieler? Damals konnte man sich nie für ein grosses Turnier qualifizieren …

Wahrscheinlich eben, weil ich nicht mehr dabei bin (lacht) . Nein, das Team arbeitet sehr gut zusammen. Die Philosophie von Trainer Markku Kanerva basiert auf einer starken Wertebasis und klaren Rollen für die Spieler. Das ist wichtig für das Team. Kanerva ist es irgendwie gelungen, eine lehrreiche, inspirierende Atmosphäre zu schaffen. In alle Nationalteams haben wir eine Hochleistungsumgebung gebracht.

Live-Hinweis

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Das Testspiel der Schweizer Nati gegen Finnland können Sie heute Mittwoch ab 20:10 Uhr live auf SRF zwei und in der SRF Sport App mitverfolgen.

Auffällig ist auch Finnlands Heimstärke. Seit 2020 gab es nur gegen Wales eine Niederlage zuhause. Woran liegt dies?

Mitten im Schnee zu spielen, ist für den Gegner immer unangenehmer als für uns. Vielleicht ist das der wichtigste Punkt.

Viele Spieler im Team sind 30-jährig und älter. Droht da nicht die Gefahr, dass man den Umbruch verpasst?

Natürlich ist das oft ein Thema für uns. Doch auch wenn das Durchschnittsalter im Team hoch ist, denke ich, dass die Zukunft gut aussieht. Die Spieler werden technisch besser. Unsere Trainerausbildungen sind auf einem höheren Niveau, zudem haben wir in Fussballplätze und Hallen investiert. So rücken regelmässig gute Spieler nach, das ist unser Ziel. Ich bin optimistisch, dass wir mit den richtigen Werten und der richtigen Mentalität auch in Zukunft gute Resultate schaffen können. Das ist die Basis.

Mit Daniel O’Shaughnessy (HJK Helsinki) verdient im finnischen Kader Nati nur ein Akteur sein Geld bei einem finnischen Klub. Hat die heimische Liga ein Qualitätsproblem?

Nein, es gibt kein Qualitätsproblem. Die Veikkausliiga ist vom Preis-Leistungs-Verhältnis eine der besten Ligen. Die Spieler verdienen hier wenig, die Klubs erhalten kaum Mediengelder. Wer ins Ausland wechseln kann, macht das häufig auch. Damit die Liga noch besser wird, müssen wir in Finnland besser bezahlen können. Das klappt nur über hohe TV-Gelder für die Klubs.

Am Mittwoch spielt Finnland gegen die Schweiz, lange Zeit Ihre sportliche Heimat …

Das ist immer etwas Spezielles. Die Schweiz ist hier (deutet auf sein Herz) . Ich komme fast jährlich in die Schweiz in die Ferien. Lenzerheide ist für mich einer der schönsten Plätze der Welt. Am Mittwoch werde ich wegen Corona nicht in die Schweiz reisen. Die Partie ist für uns aber auch interessant, um einige neue Spieler einzusetzen, die sich für die EM aufdrängen wollen. Und deshalb werden wir bei euch gewinnen. Ich tippe auf einen 1:0-Sieg für Finnland.

Eine Niederlage für die Schweiz? Hat die Nati auf Sie in den ersten beiden WM-Quali-Partien keinen guten Eindruck hinterlassen?

Nein, die Schweiz hat stark gespielt – vor allem auswärts gegen Bulgarien. Ich freue mich immer, ehemalige Akteure vom FC Zürich zu sehen. Etwa Ricardo Rodriguez oder Nico Elvedi. Die Resultate waren stark. Doch 2 Spiele, 6 Punkte bedeutet, dass die Schweiz gegen Finnland keine Energie mehr hat. Tut mir leid (schmunzelt) .

Blicken wir auf Ihre Zeit als Verteidiger des FCZ zurück: Sie kämpften Seite an Seite mit Nati-Spielern wie Gökhan Inler, Blerim Dzemaili oder Ludovic Magnin. Gab es Unterschiede verglichen mit dem Zusammenspiel in der finnischen Nationalmannschaft?

Nicht gross. Ich kam 2006 nach Zürich, eine sehr schöne Zeit. Die Stadt hat mir gefallen, das Team war super und ich wurde sehr gut aufgenommen. In gewisser Hinsicht sind sich Schweizer und Finnen ziemlich ähnlich. Wir brauchen beide viel Zeit, um jemanden kennenzulernen. Entstehen dann aber Freundschaften, dann sind diese sehr stark. Zudem haben wir ähnliche Werte, die Natur ist sehr wichtig. Diese Ähnlichkeiten sind mir sehr aufgefallen.

Sie duellierten sich als finnischer Nationalspieler 2008 in St. Gallen mit der Schweiz. Erinnern Sie sich noch daran?

Ja, ich glaube Blerim Dzemaili und Gökhan Inler waren auch dabei. Leider verloren wir das Spiel – wohl 0:1, nach einem späten Gegentor? Auch wenn es nur ein Freundschaftsspiel war: Zero Points für uns, die Schweiz war besser.

Wenn wir auf die EM im Sommer vorausblicken: Was ist Neuling Finnland zuzutrauen?

Alle glauben, dass wir in unserer Gruppe gegen Belgien, Dänemark und Russland als kleines Land und Debütant keine Chance haben. Doch im Moment sind wir sehr stark. Wenn unser Topstürmer Teemu Pukki fit ist und wir gut zusammenarbeiten, ist alles möglich.

Und Ihr Tipp für die Schweiz am Endrunden-Turnier?

Von mir aus kann die Schweiz im Test gegen Finnland verlieren und dann mit der Wut im Bauch die EURO gewinnen ...

Das Gespräch führten Pascal Roganti/ Deborah Bucher.

SRF zwei, sportlive, 28.03.2021 20:30 Uhr

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