Mit dem Nati-Rücktritt von Yann Sommer geht nach 10 Jahren eine Ära zu Ende: Mit Sommer konnte sich das Schweizer Nationalteam an den letzten 5 Endrunden auf einen zuverlässigen Rückhalt mit für einen Torwart überdurchschnittlichen fussballerischen Fähigkeiten stützen. Nach 94 Länderspielen ist nun Schluss. Im Hinblick auf die WM 2026 kommt es im Nati-Tor zur Wachablösung. Künftig wird Gregor Kobel bei der Schweiz zwischen den Pfosten stehen.
Kein Keeper in der Nati durfte das Tor so oft hüten wie Sommer. Erich Burgener mit 64 und dann Diego Benaglio mit 61 Einsätzen kommen ihm mit Respektabstand noch am nächsten. Nicht zuletzt der innovative SFV-Goalietrainer Patrick Foletti formte aus einem soliden einen sehr guten Keeper mit immenser Reaktionsgeschwindigkeit und viel Spielverständnis. Den Ball unter Bedrängnis wegzuschlagen ist Sommers Sache nicht.
Sonnyboy und Werbefigur
In der Nati wurde der Sonnyboy rasch zu einem Aushängeschild, nicht nur auf dem Feld. Der Inbegriff des perfekten Schwiegersohns avancierte auch in den Werbespots im Umfeld von Endrunden zur grossen Konstanten. Die britische
Times
wiederum wählte ihn zum schönsten Spieler der EM 2024.
Doch zurück zum Sportlichen: Sommer debütierte am 30. Mai 2012 beim 0:1 im Testspiel gegen Rumänien. Sein Trainer Ottmar Hitzfeld sah, wie der damals 23-Jährige beim einzigen Tor der Partie chancenlos blieb: ein Kopfball gegen die Laufrichtung. Nach der WM 2014 trat er dann in die Fussstapfen von Benaglio.
Sommer hält! Sommer hält! Sommer hält!
Fortan war Sommer ein sicherer Wert. An der EM 2016 kassierte er nur 2 Gegentore aus dem Spiel heraus. 2 Jahre später war sein Pech, dass Manuel Akanji im WM-Achtelfinal einen schwedischen Abschluss unglücklich abfälschte. An der auf 2021 verschobenen EM erlebte der frühere Junior des FC Basel seinen wohl ikonischsten Moment. Unter der Parole «Sommer hält!», die dank Kommentator Sascha Ruefer durch zahllose Deutschschweizer Haushalte schallte, parierte er im Achtelfinal den entscheidenden Penalty gegen Kylian Mbappé.
Dem krachenden Scheitern an der Winter-WM in Katar 2022 müssen wiederum mildernde Umstände entgegengestellt werden. So wurde der kränkelnde Sommer beim 1:6-Achtelfinal-Debakel gegen Portugal von seinen Vorderleuten sträflich im Stich gelassen.
Auch 2024 «Mr. Zuverlässig»
Zuletzt an der EM in Deutschland, wo er als Inter-Meistergoalie mit viel Selbstvertrauen angereist war, fehlte dieser eine überragende «Sommer hält!»-Moment. Nicht etwa, weil Sommer irgendwelche Patzer unterlaufen wären. Nein, er war der gewohnte Ausbund von Zuverlässigkeit.
Die Ausnahme bildete da ein Aufsetzer aus der Distanz von Deutschlands Robert Andrich im letzten Gruppenspiel – eine VAR-Intervention löschte den Fauxpas indes wieder. Das «Problem» war vielmehr: Sommers Vorderleute verteidigten so zuverlässig, dass es kaum je Gelegenheit zur Glanzparade gab.
Im Penaltyschiessen gegen England blieb die Kür nach erledigter Pflicht dann aus. Und doch hatte Sommer wieder einmal bewiesen, wofür er schon zuvor allenthalben verehrt worden war: seine Reaktionen auf der Linie, das Spiel mit dem Ball am Fuss, seine Ruhe – und natürlich seine Zuverlässigkeit.
Radio SRF 3, Nachrichten, 19.08.2024, 10:00 Uhr
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