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Der Meister in der Krise Fehlender Biss und lose Ketten: Das Warten des FCZ aufs Ketchup

Weder Sieg noch Tor, schlechtester Start seit 2004. Wo sind beim Meister FCZ die Baustellen, wo Hoffnung auf Besserung?

Das 2:0 bei Linfield im Quali-Hinspiel der Europa League – der erste Pflichtspielsieg unter Trainer Franco Foda hätte als Ketchupflasche für den FC Zürich dienen sollen: Wenn's endlich läuft, dann läuft's. Doch der erhoffte Effekt blieb gegen Sion klar aus. Eine 0:3-Pleite im heimischen Letzigrund, ein Punkt in 4 Spielen und weiterhin kein Tor erzielt. «Es war von Anfang bis Ende zu wenig. Der letzte Biss fehlt», analysierte Captain Yanick Brecher schonungslos. Die Tonart werde nun wohl eine schärfere.

Donis Avdijaj
Legende: Symbolbild FCZ-Neuzugang Donis Avdijaj verkörpert die aktuelle Ratlosigkeit, soll aber für den zukünftigen Aufschwung beim Meister stehen. Keystone/Walter Bieri

Bush jr., DJ Bobo und Hardturm schlägt «Letzi»

Punktemässig derartig schlecht – aber immerhin mit 4 Treffern auf dem Konto – waren die Zürcher in die Saison 2003/04 gestartet. Vor 19 Jahren, oder anders: George W. Bush war US-Präsident, DJ BoBo dominierte mit Chihuahua die Schweizer Musikcharts und der Stadtrivale GC hatte mehr Fans im Stadion als der FCZ.

Im Gegensatz zum leeren Torkonto waren gegen Sion die Tribünen gut gefüllt. So sahen knapp 14'000 Zuschauer, wie sich das Foda-Team abermals innert kürzester Zeit komplett aus der Balance bringen liess. 3 Gegentore innert 11 Minuten, schon zum Saisonstart gegen YB hatte Keeper Brecher innert 8 Minuten 3 Mal hinter sich greifen müssen. Randnotiz: Sein Sittener Gegenüber Heinz Lindner hingegen dürfte die Zu-null-Partie indes besonders gefreut haben, war er schliesslich von Österreichs Nati-Trainer Foda überraschend nicht für die EM 2020 aufgeboten worden.

Dreier- und Viererkette halten nicht

Der Meister muss sich somit weiterhin vieles anhören lassen. Noch immer schwebt die Systemfrage wie ein Damoklesschwert über Foda. Gegen Sion stellte er in der Defensive wieder auf die im Vorjahr sakrosankte Dreierkette um. Den Unsicherheiten im Abwehrverbund tat dies keinen Abbruch. Fidan Aliti, Mirlind Kryeziu und Becir Omeragic wurden bei den Gegentoren zu Statisten degradiert. Just jenes Dreigespann, das im Vorjahr bis zu Omeragics Meniskusverletzung im April an der Basis des Meistertitels gestanden hatte.

Aliti und Kryeziu waren auch Bestandteil beim vorletzten Direktduell mit den Sittenern gewesen, dem klaren 5:1-Heimerfolg Ende April. Um die Baustellen des FCZ zu illustrieren, kann man die beiden Partien wie Schablonen übereinanderlegen. Man sieht: Es fehlt die offensive Gefahr und defensive Stabilität der abgewanderten Assan Ceesay resp. Ousmane Doumbia, die Routine des verletzten Blerim Dzemaili wurde vermisst. Und der so gehypte Youngster Willy Gnonto, bei ebenjenem 5:1 mit 2 Assists, hat nach seinem Höhenflug zuletzt eine unsanfte Landung erlitten.

Besser.
Autor: Ancillo Canepa gegenüber «Tages-Anzeiger» über das Kader 2022/23 im Vergleich zur Meistertruppe

Ancillo Canepas Ansage, das Kader sei auf diese Spielzeit hin gar noch verbessert worden, droht sich von der steilen These zur Fantasie zu verwandeln. Dagegen helfen sollen dabei die Neuzugänge Donis Avdijaj und Bogdan Viunnyk. Viel Anlaufzeit bleibt dem Duo jedoch nicht. Am Donnerstag muss das 2:0 gegen Linfield verteidigt werden, um die Teilnahme am Europacup zu fixieren. Am frühen Sonntagnachmittag gastiert der Meister dann bei Aufsteiger Winterthur, wo sich ihm die Chance bietet, nicht mehr nur 3. Zürcher Kraft in der Tabelle zu sein.

Freilich, auch der Faktor Glück darf nicht gänzlich aussen vor gelassen werden. Die Statistik-Portale sind sich einig: Bei keinem Team ist die Differenz zwischen erwarteter und tatsächlicher Tore grösser als beim FCZ. «Wir hätten viel mehr Punkte holen müssen aufgrund der Spielanteile», klagte Trainer Foda nach der Pleite am Sonntag. Im Vorjahr feierten die Limmatstädter mitunter Siege, die sie sich selbst nicht erklären konnten. Das scheint sich zumindest vorübergehend ins Gegenteil verkehrt und den miesesten Start seit 2004 ermöglicht zu haben.

Doch der Blick in die Vergangenheit kann durchaus auch Zuversicht spenden: Vor 19 Jahren beendete der FCZ trotz miserablem Saisonstart das Fussballjahr noch auf Rang 4, verpasste die Europacup-Plätze nur um 2 Pünktchen und kam immerhin in den Cup-Halbfinal. Dazu muss das Ketchup aber recht bald aus der Flasche ...

SRF zwei, Super League Highlights, 7.8.22, 19 Uhr ; 

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