Pascal Erlachner ist einer der 10 besten Schiedsrichter der Schweiz. 73 Spiele hat er bislang in der Super League geleitet. Und: Er ist schwul. «Na, und?», fragen sich vielleicht manche.
Doch: Der Fussball ist eine Welt, in der Homosexualität nach wie vor als grosses Tabu gilt. Und genau das will Pascal Erlachner mit seinem Coming-Out brechen.
Zusätzliche Angriffsfläche
Die Fans brüllen, die Spieler schimpfen, das Adrenalin pumpt. Pascal Erlachner muss – wie alle Fussballschiedsrichter – innert Sekunden entscheiden. Er darf sich keinen Fehler erlauben.
Der Druck ist gross. Und der Druck auf dem Fussballplatz wird vielleicht bald noch grösser: Pascal Erlachner hat sich entschieden, sich öffentlich als schwul zu outen. Und bietet damit in einem nach wie vor von Homophobie geprägten Umfeld wie dem Fussball zusätzliche Angriffsflächen.
Während der Frauenfussball mit lesbischen Spielerinnen mittlerweile unverkrampft umgeht, gibt es im Männerfussball bislang erst 3 Profis, die offen zu ihrer Homosexualität stehen oder standen. Aktive schwule Fussballer als Vorbilder fehlen. Und das obschon wissenschaftliche Studien zum Schluss kommen, dass bis zu 10 Prozent aller Männer schwul sind.
Nur wenige Vorgänger
Justin Fashanu, der bei Manchester City spielte, outete sich 1990 als erster Spieler überhaupt. Er nahm sich 8 Jahre später das Leben. Robbie Rogers, amerikanischer Nationalspieler, stand während seiner Karriere bei LA Galaxy in der Major League Soccer zu seinem Schwulsein. Und Thomas Hitzlsperger, ehemals Captain der deutschen Nationalmannschaft, outete sich vor bald 4 Jahren – nach dem Ende seiner Laufbahn.
Letztes Jahr hat sich mit Jesús Tomillero ein Fussballschiedsrichter aus der spanischen Regionalliga geoutet. Er hat sich nach einer regelrechten Hetzjagd dazu entschieden, die Pfeife an den Nagel zu hängen.
Erlachner will aufrütteln
Pascal Erlachner wagte den Schritt nun auch. Er ist der erste Spitzenschiedsrichter überhaupt, der sich outet. Seine Motivation: Er will aufrütteln, Vorbild sein, enttabuisieren, helfen, ein Klima herzustellen, in dem es künftig normal sein soll, dass Fussballer, Trainer oder Funktionäre schwul sind. In dem schwul nicht mehr als salonfähiges Schimpfwort gilt, weder auf dem Platz, noch auf den Rängen. Erlachners Ziel ist denn auch, nach dem Coming-Out weiterzupfeifen.
Der Lehrer und Hobbypilot stammt aus einer richtigen Fussballerfamilie. Sein Vater war einst selber Spieler, dann Trainer. Seine Mutter und sein Bruder verpassen praktisch kein Spiel, das er leitet, sei es im Stadion oder zu Hause vor dem Fernseher.
Das Fussballmilieu hat den 37-Jährigen geprägt – sein Coming-Out in der Familie hatte er deshalb erst spät im Alter von 30 Jahren. Nun folgte der letzte grosse Schritt auf dieser – wie er sie nennt – Reise: der Schritt an die breite Öffentlichkeit.
Sendebezug: Radio SRF 3, Sport-Magazin, 10.12.17, 18:55 Uhr