Fast zu gut sind die Vorzeichen für die italienische Auswahl von Coach Roberto Mancini, die EURO gewinnen zu können. Beflügelt von Enthusiasmus werden die «Azzurri» am Freitag gegen die Türkei das Turnier aber allemal eröffnen.
Sieg gegen Tschechien als Bumerang?
Das 4:0 im letzten Test gegen Tschechien durch die «IB», die Initialen der Torschützen Immobile, Barella, Insigne und Berardi, hat den allgemeinen Optimismus gestärkt. Allerdings besteht das Risiko, dass sich dies als gefährlicher Bumerang erweist.
Die Geschichte der «Squadra Azzurra» hat gezeigt, dass sie ihre grossen Erfolge dann feierte, als sie niemand erwartete. Und deshalb reicht es nicht, in Erinnerung zu rufen, dass die Mancini-Elf seit 26 Spielen ungeschlagen ist. Denn die Gegner gehörten zur zweiten oder gar dritten Kategorie, wie beim 7:0 im vorletzten Test gegen San Marino.
Aussagekräftiger ist da natürlich das 4:0 gegen Tschechien, das an der EM mit England, Kroatien und Schottland die Gruppe D bildet. Zudem hat Mancini aufgehört, zu experimentieren und jene Mannschaft auf die Probe gestellt, welche gegen die Türkei auflaufen wird.
Startelf steht – Fragezeichen im Sturm
Die Startelf wird wie folgt aussehen: Donnarumma im Tor, Bonucci und Chiellini im Abwehrzentrum, mit Florenzi und Spinazzola als Aussenverteidiger. Da Verratti noch nicht bereit ist, wird ihn Locatelli ersetzen mit Barella auf rechts und Jorginho im Zentrum. Im 4-3-3-System, auf welches Mancini schwört, gibt es nur im Angriff Fragezeichen. Neben Insigne steht dem Trainer als Alternative zu Immobile stets Belotti zur Verfügung. Auf dem rechten Flügel macht Chiesa wiederum Berardi den Platz streitig.
Es stellt sich die Frage, ob die Ü30er Bonucci und Chiellini das nötige physische Level erreichen werden.
Abgesehen von den Namen muss man als Schwächen die internationale Unerfahrenheit hervorheben. Denn nur Jorginho hat die Champions League gewonnen (Ende Mai mit Chelsea). Die Mannschaft ist sich auch nicht an Widrigkeiten gewöhnt, hat dieses Italien doch nie gegen grosse Nationen leiden müssen.
Und schaut man etwas genauer hin, so stellt sich die Frage, ob die Ü30er Bonucci und Chiellini, welche diese Saison bei Juventus höchstens 3 Partien gemeinsam bestritten haben, das nötige physische Level erreichen werden. Und vor allem wird wichtig sein zu wissen, ob Immobile oder Belotti im Sturmzentrum gesetzt ist. Die Wechsel auf dieser Position sind nicht Zeichen der Stärke, sondern der Schwäche.
Raspadori der neue Rossi?
Mancini hat es nicht geschafft, klare Hierarchien zu etablieren. Er bot in letzter Minute den 21-jährigen Raspadori von Sassuolo auf in der Hoffnung, den neuen Paolo Rossi zu entdecken. Die Partie gegen die Türkei und vor allem jene gegen die Schweiz werden schnell darüber Aufschluss geben, ob Italien die Gruppe gewinnen kann.
Danach würde der Fokus auf der Jagd nach dem EM-Titel liegen, welche seit 1968 vergebene Mühe war. Das ist das erklärte Ziel von Mancini, der mit dem Wembley-Stadion noch eine Rechnung offen hat. 1992 verlor er dort im Trikot von Sampdoria Genua den Champions-League-Final gegen Barcelona.