Luke Shanley spricht Klartext: «Schottland muss besser spielen und ist gegen die Schweiz eigentlich unter Siegzwang.» Der Kommentator von Sky Sports UK weiss aber auch, dass dieses Unterfangen «schwierig» wird. Es werde interessant zu sehen sein, wie das Team von Coach Steve Clarke den Turnaround schaffen wolle, so Shanley im SRF-Interview.
Das 1:5-Debakel im Eröffnungsspiel gegen Deutschland sei «schrecklich» gewesen. «Alles, was schief gehen konnte, ging schief.» Dabei sei Schottland mit grossem Optimismus ans Turnier gereist, sagt Shanley. In der EM-Qualifikation habe man ein Team mit einer starken Abwehr gesehen, das vorne seine Chancen nutzte und Top-Nationen weder Zeit noch Raum überliess. «Das ging gegen Deutschland alles zum Fenster raus.»
Kritik an Coach Clarke
Ähnlich analysiert es The Herald-Journalist Matthew Lindsay: «Die Form aus der Qualifikation fehlte total.» Der Fussballchef bei der Traditionszeitung sieht eine Kombination von Umständen hinter der Ohrfeige vom Freitag. «Uns fehlen einige wichtige Spieler, einige sind nicht hundertprozentig fit. Ich denke aber auch, dass Clarkes Auswahl nicht richtig war.»
Insbesondere von der Nicht-Nominierung von Mittelfeldspieler Billy Gilmour zeigte sich Lindsay überrascht. «Ich glaube, dass er gegen die Schweiz zurückkehren wird.» Ein Manko sieht er auf der «defensiv und offensiv so wichtigen Position hinten rechts»: Weil Aaron Hickey und Nathan Patterson verletzt sind, habe Clarke den nicht regelmässig eingesetzten Anthony Ralston holen müssen.
Spielmacher Scott McTominay von Manchester United habe seit dem FA-Cupfinal nicht gespielt. «Und so sah er am Freitag auch aus», sagt Lindsay. Beide Journalisten zeigten sich enttäuscht von der fehlenden Kampfeskraft der Schotten. Das komme bei den Fans gar nicht gut an. «Gegen die Schweiz wollen sie Leidenschaft und Kampf sehen.» Spiele Schottland wie gegen Deutschland, «dann wird es Ärger auf der Tribüne und zuhause geben».
Dreierkette oder Überraschung?
Clarke versuchte laut Shanley mit einer zusätzlich angesetzten Medienkonferenz, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Er habe davon gesprochen, dass «viel Arbeit» nötig sei. Details zur Taktik verriet der 60-Jährige nicht. Shanley glaubt, dass Clarke gegen die Schweiz erneut auf drei Innenverteidiger setzen wird. «Das hilft, weil so Kieran Tierney und Andrew Robertson gleichzeitig auf der linken Seite auflaufen können.»
In Testspielen habe der Coach aber auch schon in einer Viererkette spielen lassen. «Die Defensive muss er wegen der Sperre gegen Ryan Porteous sowieso umstellen», ruft Shanley in Erinnerung. «Clarke ist eigentlich kein Gambler, aber er hat trotzdem schon für Überraschungen gesorgt.»
«Fans singen weiter»
In einem Punkt sind sich die Journalisten einig: Der Fan-Support wird da sein. «Eine ganze Fan-Generation war noch nie an einem Turnier im Ausland», sagt Shanley. «Jetzt wollen alle dabei sein. Sie sagen: Ohne Schottland keine Party. Momentan haben sie einen Hangover, aber sie werden nicht aufhören zu singen – und hoffentlich noch ein oder zwei Siege feiern.»