Beleidigungen, Gewaltfantasien, Drohungen – Hass im Netz ist für viele Sportlerinnen und Sportler Alltag geworden. «Es ist so normal, dass es mir eigentlich nichts mehr ausmacht. Seit ich 16 bin, kriege ich nach einem Spiel tausende Nachrichten», erzählte Belinda Bencic bei ihrem Besuch im «Sportpanorama».
Die Ostschweizerin ist nicht die einzige, die es satt hat. Im Oktober machte sie auf Social Media zum wiederholten Mal Nachrichten publik. Nachrichten, die nicht nur extrem beleidigend und weit unter der Gürtellinie sind, sondern bis hin zu Todesdrohungen reichen.
Auch Eva Lys hat ihre Erfahrungen mit Hass im Netz vergangene Woche öffentlich gemacht. Die derzeit bestklassierte deutsche Tennisspielerin sieht das Hauptproblem in Menschen, die Sportwetten platzieren: «Du kriegst Nachrichten, in denen sie schreiben, wie viel Geld sie wegen dir verloren haben, und sie drohen dir und sagen, du sollst es zurücküberweisen. Die haben keine Scham. Die beleidigen, das sind Morddrohungen. Sexismus. Alles.»
Fast alle Sportlerinnen und Sportler betroffen
Es ist nicht so, dass Hass im Netz nur etablierte Tour-Spielerinnen betrifft. Und auch nicht explizit nur Frauen. Auch die Schweizer Tennis-Nachwuchshoffnung Henry Bernet kennt die Schattenseite von Social Media. «Roger Federer Wannabe» gehört dabei zu den netteren Dingen. «‹Ich hoffe, du kriegst Krebs› habe ich auch schon gehört, oder ‹ich hoffe, deine Familie stirbt›», so die schockierenden Beispiele des 18-Jährigen.
Bei Swiss Tennis versucht man seit einigen Jahren, junge Spieler gezielt auf solche Dinge vorzubereiten. «Jeder Kaderjunior und jede Kaderjuniorin besucht zwischen 14 und 18 Jahren eine Medienschulung», sagt Florian Künzi, Medienverantwortlicher beim Nationalen Tennisverband. Das Thema Hassbotschaften gehöre dort «leider dazu».
Mit KI gegen Hassnachrichten-Flut
Nicht nur im Tennis ist Hass im Netz ein Problem. Fast alle Sportler und Sportlerinnen sind Anfeindungen ausgesetzt, die Anonymität im Internet senkt die Hemmschwelle massiv. Rassismus und Sexismus gehört nicht nur im Fussball, sondern vielen anderen Sportarten zur Tagesordnung.
Immer mehr Klubs setzten deshalb auf technische Massnahmen, um Hasskommentare mit Hilfe von KI zu erkennen und zu löschen. Zahlreiche Verbände, darunter auch die WTA, suchen dafür die Zusammenarbeit mit spezialisierten Unternehmen. Eine KI filtert Unmengen an Kommentaren und Nachrichten, danach prüfen Mitarbeiter jeden relevanten Fall. Kritische Inhalte werden an Social-Media-Plattformen, Verbände oder wenn nötig Behörden weitergeleitet.
Früher haben betroffene Sportler und Sportlerinnen selbst aktiv werden müssen. Mit dieser Massnahme können sie zumindest ein Stück weit geschützt werden. Bencic begrüsst diese Entwicklung. Aber auch ihr ist klar, dass sich das Problem nicht gänzlich eindämmen lässt. «Man kann dem nicht entkommen. Man muss es ignorieren und nicht persönlich nehmen. Und halt einfach wissen, dass es auf einen zukommt.» Eine traurige Realität.