Bis vor kurzem haben auf der Bobbahn im Yanqing Sliding Center nur die Chinesen trainiert. Die für letzten Winter geplante Weltcup-Premiere im neuen Eiskanal fiel coronabedingt ins Wasser. Und damit auch die einzige Gelegenheit für nicht chinesische Athleten, die Bahn vor den Olympischen Winterspielen im kommenden Februar wenigstens einmal wettkampfmässig zu befahren.
Zusammen mit anderen Nationen stellte der Schweizerische Bobverband Swiss Sliding deshalb ein dreiwöchiges Trainingslager auf die Beine – wobei Mega-Projekt das Ganze wohl etwas besser beschreibt.
Flugzeug oder Weltraumstation?
«Es war ein gigantischer Aufwand, eine sehr aufwändige Organisation», sagt Thomas Lohfing, Teamchef von Swiss Sliding, über den Trip der 26-köpfigen Schweizer Delegation. Weil für Einreisende mit einem Linienflug in China eine 21-tägige Quarantäne Pflicht ist, wich man auf einen Charterflug aus. Zusammen mit den Frachtcontainern für die ganze Ausrüstung eine kostspielige Angelegenheit.
Im Flugzeug hätten sämtliche Besatzungsmitglieder Ganzkörper-Schutzanzüge getragen, das Essen sei einmalig und komplett eingeschweisst übergeben worden. «Wir sind reingekommen und die Marsmännchen kamen uns entgegen», beschreibt Lohfing die etwas grotesk anmutende Szene beim Betreten des Flugzeugs. In China sei die Maschine dann auf einem eigens abgesperrten Terminal gelandet.
Trotz den restriktiven Corona-Massnahmen der chinesischen Regierung fühlen sich die Schweizer bei ihrem aktuellen Aufenthalt wohl. Sie sind zusammen mit den anderen anwesenden Nationen in einem Hotelkomplex in Yanqing 40 Autominuten vom National Sliding Center entfernt untergebracht.
Es lasse sich gut aushalten, sagt Lohfing. Der tägliche Coronatest gehört genauso zur Normalität wie komplett abgeschirmte Busfahrer, die sogar ein eigenes Lüftungssystem haben oder Roboter, die permanent irgendwo Desinfektionsmittel versprühen. «Zu den Chinesen haben wir so gut wie keinen Kontakt. Auch beim Teamcaptains-Meeting ist beispielsweise der chinesische Rennleiter aus einem anderen Raum per Video zugeschaltet», erzählt der Schweizer Teamchef.
Eine spezielle Bahn für sich
Und was lässt sich zur Bahn sagen? Um diese kennenzulernen, hat man den nicht zu unterschätzenden logistischen und finanziellen Aufwand ja schliesslich auf sich genommen. «Es ist eine spezielle Bahn, die sich nicht gross mit anderen Bahnen vergleichen lässt», sagt Cheftrainer Rico Peter. Man sei sich Kurse mit schönen, runden Kurven gewohnt. Die Olympia-Bahn habe eher einzelne, offene Kurven, so der Aargauer Ex-Bobpilot.
Bis am 27. Oktober haben die Schweizer Bobfahrer- und Fahrerinnen noch Zeit, sich an den Pekinger Eiskanal heranzutasten. Dann steht die Reise zurück in die Schweiz an. Und für alle Chinesen, die am Trainingslager in irgendeiner Weise beteiligt waren – seien es Leute an der Bahn, Busfahrer oder Hotelangestellte –, steht zuerst einmal eine 21-tägige Quarantäne an.