Dezember 2024: Die Schweizer Frauen-Handball-Nati übersteht an der Heim-EM erstmals die Vorrunde an europäischen Titelkämpfen. April 2025: Das Team qualifiziert sich erstmals für eine WM. Das Stelldichein der 32 weltbesten Nationen findet ab dem 27. November in Deutschland und in den Niederlanden statt.
«Früher benötigten wir in fast jedem Spiel eine Überraschung, wenn wir gewinnen wollten. Das ist heute nicht mehr so», sagt Kerstin Kündig. «Es gibt heute Gegner, da müssen wir sagen: ‹Wir sind Favorit und müssen die Punkte holen.› Das ist eine schöne Situation.» Nur gegen die absoluten Top-Nationen brauche es einen «sehr guten Tag», um mithalten zu können, so die 32-Jährige, die bereits seit 2012 in der Nati spielt.
«Glücklich, aber noch nicht zufrieden»
Trainer Knut Ove Joa, der die Equipe seit 2023 coacht, bestätigt: «Das Team hat sich in kurzer Zeit sehr stark entwickelt und ist an den Herausforderungen gewachsen.» Der Norweger schiebt allerdings gleich nach: «Wir sind glücklich, aber noch nicht zufrieden. Wir wollen besser werden und müssen härter mit uns selbst sein.»
Der Leistungssprung hat zum ersten mit den Erfahrungen der Spielerinnen in ausländischen Top-Ligen zu tun. Torhüterin Lea Schüpbach spielt nach fünf Jahren in Deutschland seit diesem Sommer beim französischen Erstligisten Plan-de-Cuques in Marseille. «Man kennt auch dort jetzt die Schweizer Spielerinnen. Es ist in Frankreich angekommen, dass wir angreifen», sagt die 28-Jährige.
Kündig war fünf Jahre in Deutschland und Dänemark tätig, ehe sie diesen Sommer in die Schweiz zurückkehrte und sich parallel zum Engagement beim aktuellen Leader GC Amicitia auf ihre berufliche Karriere nach dem Sport vorbereitet.
Der Druck der Jungen
Zum zweiten spielt der Druck «von unten» eine Rolle: «Aus dem OYM (Leistungszentrum in Cham) kommen junge Spielerinnen. So haben wir eine grössere Breite und können uns gegenseitig challengen», sagt Schüpbach. Das bringe einen Aufwärtstrend mit sich.
Die plötzliche Favoritenrolle in einigen Spielen – so am Donnerstag in der EM-Quali gegen Bosnien-Herzegowina – erfordere aber eine Änderung in der Einstellung, weiss Kündig: «Wir müssen uns antrainieren, solche Spiele im Kopf anders anzugehen.» Natürlich ohne jegliche Arroganz: Es gehe darum, jeden Tag hart zu arbeiten, damit diese Einstellung auch berechtigt sei.
Trainer Joa fordert: «Wir müssen zeigen, dass wir es auch als Favorit können. Alle haben mehr Verantwortung. Aber ich vertraue den Spielerinnen und glaube an die Eigenverantwortung. Es sind alle bereit.»
Auf dem Surfbrett Richtung Brisbane
Der Norweger hat auch langfristige Perspektiven: Man wolle sich «Schritt für Schritt» den Top-Nationen nähern. «Eines unserer grossen Ziele sind die Olympischen Spiele 2032 in Brisbane», sagt der 48-Jährige.
Zu diesem Thema gab es jüngst an einem Teambuilding-Anlass in seiner norwegischen Heimat ein symbolträchtiges Zückerchen: Die Spielerinnen durften sich auf den Surfbrettern versuchen. «Surfen ist australisch. Wir wollten damit ein Signal geben, wohin wir wollen», sagt Joa.