«So konnte ich nicht mehr weiterturnen», sagt Lena Bickel. Nach den Olympischen Spielen vor einem Jahr in Paris musste sie handeln. Die Rückenprobleme, die sie schon seit längerem beschäftigten, liessen eine Rückkehr in den Sportlerinnen-Alltag einfach nicht mehr zu.
Bickel ist ein hoffnungsvolles Schweizer Talent. So hoffnungsvoll, dass man ihr zutraut, dereinst an die internationalen Erfolge von Ariella Kaeslin oder Giulia Steingruber anzuschliessen. Beim bisherigen Karriere-Highlight in Paris verbesserte die 20-Jährige ihre eigene Bestleistung im Mehrkampf und erzielte 51,131 Punkte. Das reichte zu Rang 39. Den Final der besten 24 verpasste sie, eine Qualifikation wäre aber auch illusorisch gewesen.
Nach dem Rücken kam die Hand
Nach dem Stoppsignal des Körpers brauchte die Tessinerin Geduld. Viel Physiotherapie stand an, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Das gelang, auch wenn Bickel sagt: «Ich werde wohl immer ein bisschen Rückenschmerzen haben.»
Und als die eine Baustelle abgebaut war, tat sich prompt eine neue auf: Im letzten Frühling, als sie bereits seit ein paar Monaten zurück im Turntraining war, brach sie sich bei einer Landung den dritten und vierten Mittelhandknochen. Eine Operation wurde nötig und verzögerte die Zeit bis zum nächsten Wettkampf weiter.
Bickel ging auf Distanz zu ihrem Sport. Die EM in Leipzig, wo sie in Bestform gute Chancen auf ein positives Abschneiden gehabt hätte, verfolgte sie im Mai nur am Rand, um die Teamkolleginnen zu unterstützen.
Geglücktes Comeback
Der Versuchung, das Comeback zu forcieren, wollte sie nicht erliegen. Erst Mitte September wagte sie sich über ein Jahr nach Olympia wieder in Paris im Rahmen des Weltcups an ein internationales Kräftemessen heran. Das lange Warten lohnte sich: Mit Platz 2 am Schwebebalken überraschte sie alle, inklusive sich selbst. «Das habe ich überhaupt nicht erwartet. Ich wollte eigentlich nur schauen, auf welchem Niveau ich bin», so Bickel.
Darf man an der nun anstehenden WM in Jakarta (19. bis 25. Oktober, live bei SRF) also bereits wieder Wunderdinge von ihr erwarten? Bickel drückt auf die Euphorie-Bremse: «Ich will einfach das Beste geben und es geniessen.» Im Mehrkampf, wo die Chancen normalerweise am grössten sind, habe sie schliesslich noch wenige Anhaltspunkte darüber, wo sie genau stehe.
Finalteilnahme realistisch?
Frank Kistler, Nationaltrainer der Frauen, ist schon etwas forscher, wenn es darum geht, ein Ziel zu formulieren. «Klar, wir sind in einem laufenden Prozess, aber sie hat sehr gut gearbeitet und eine hohe Stabilität aufgebaut. Sie hat das Potenzial, den Mehrkampf-Final zu erreichen», so der Franzose.