SRF: Sie haben währen der Strassenrad-WM in Glasgow im Sommer mitten im Rennen aufgegeben. Obwohl Sie in Topform und nicht verletzt waren. Was war passiert?
Marlen Reusser: Das war auch für mich ein spezielles Ereignis. Ich habe es nicht geplant. Es ist mir einfach passiert. Vor der WM ging es mir nicht so gut. In dieser Zeit gab es verschiedene Baustellen in meinem Leben. Ich habe versucht, weiter zu «performen». Ich denke, wir alle haben bessere und schlechtere Zeiten und ich habe versucht, meine Gefühlslage in Relation zu setzten. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich nie für das Zeitfahren in Glasgow gebrannt habe. Es war nicht mein persönliches Ziel und mir fehlte der Reiz der WM. Trotzdem habe ich in der Vorbereitung 100 Prozent gegeben, aber in diesem Rennen ist etwas in mir passiert. Ich musste mir eingestehen, dass ich das Rennen letztendlich für mich fahre, aber ich wollte es in diesem Moment nicht. Ein Zeitfahren kann man nicht bestreiten, wenn man es nicht wirklich will. Und ich fragte mich: Warum mache ich es, wenn ich es nicht will? Ich hatte keinen Bock.
Sie lagen nur wenige Sekunden hinter der späteren Siegerin. Das Rennen lief gut für Sie. Warum haben Sie sich nicht gesagt, ich fühle mich nicht gut, aber ich ziehe es trotzdem durch?
Meine Leute sind nach wie vor überzeugt, dass ich das Rennen gewonnen hätte. Ich kann es selbst nicht sagen und wie man bei uns im Radsport sagt: «Hätte, hätte Fahrradkette». Es ging mir in dem Moment auch nicht darum, ob ich gut oder schlecht bin. Und so leid es mir für alle tut, die so viel in mich investiert haben, mir persönlich hat es gutgetan. Es war eine Art Ausbruch, aus einer Situation, die für mich nicht mehr passte. Der Abbruch fühlte sich schrecklich an, aber irgendwie auch gut. Ich konnte viel aus der Situation lernen und bin froh, dass ich es getan habe.
Würden Sie es wieder tun?
Die Frage kann so nicht gestellt werden. Ich bin jetzt an einem anderen Punkt. Ich bin froh, dass es so passiert ist, weil ich persönlich viel aus der Erfahrung lernen konnte. Wie auch mein Umfeld viel gelernt hat. Wir haben das letzte Jahr gemeinsam analysiert und ich denke, wir würden es nicht mehr zu diesem Punkt kommen lassen.
Was haben Sie konkret gelernt?
Ich musste viele Fragen für mich beantworten. Was hat überhaupt dazu geführt, dass es zu einem solchen Loch kam? Obwohl der Sommer aus sportlicher Sicht gut lief. Warum habe ich nicht für die WM in Glasgow gebrannt? All diese Fragen habe ich zusammen mit meinem Umfeld analysiert und wir konnten viel aus den Erkenntnissen lernen. Zusammenfassend kann ich sicher sagen, dass ich heute weiss, dass ich früher die Reissleine hätte ziehen müssen. Das wäre auch für alle, die mich unterstützen, fairer gewesen.
Was sind Ihre nächsten Ziele?
Zum einen die Heim-WM in Zürich und zum anderen die Olympischen Spiele im Sommer. Das sind zwei sehr spannende Anlässe für mich und ich will auf jeden Fall gut sein.
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