Wettertechnisch stand der Giro bisher unter keinem guten Stern. In der vergangenen Woche regnete es teilweise ganze Etappen lang durch. Auch der Abstecher ins Wallis war vom Wetter geprägt. Der Grosse St. Bernhard konnte nicht befahren werden, weil noch Schnee liegt. Kurzfristig wurde das Teilstück dann aufgrund von Fahrerprotesten noch einmal verkürzt.
Im Nachgang hatte dies für einige Diskussionen innerhalb, aber auch ausserhalb des Fahrerfeldes gesorgt. Geraint Thomas etwa begrüsste den Entscheid, «wenn man mit mindestens 50 Fahrern nach Rom kommen will». Andere hingegen hätten die Etappe gerne durchgeboxt, Bedingungen hin oder her. «Wir sind dabei, unseren Sport zu zerstören», schimpfte etwa Marc Madiot, Manager von Groupama-FDJ und zweifacher Sieger von Paris-Roubaix gegenüber RMC .
Hinault: «Geht in die Fabrik arbeiten»
Seiner Meinung nach sind die Fahrer «dabei, den Faden zu verlieren, was die Geschichte unseres Sports ausmacht». Dabei erinnerte er an Legenden wie Eddy Merckx oder Bernard Hinault, die bei grossen Siegen oftmals auch widrigsten Bedingungen trotzten. Der Franzose Hinault etwa gewann 1980 Lüttich-Bastogne-Lüttich bei schier unmenschlichen Bedingungen. Nur 21 von 174 Fahrern erreichten im teilweise dichten Schneetreiben das Ziel.
Angesichts der verkürzten Etappe am diesjährigen Giro blies Hinault ins gleiche Horn wie Madiot. Er fügte hinzu: «Ich habe mich schon mit einigen Fahrern angelegt, denen ich gesagt habe: Wenn ihr nicht mit dem Radfahren einverstanden seid, dann geht in die Fabrik arbeiten, da seid ihr sicher».
Passend zu den Diskussionen beinhaltet die 16. Etappe am Dienstag den Schlussaufstieg hinauf zum Monte Bondone. Als der Hausberg oberhalb von Trient 1956 erstmals im Programm stand, machte sich Charly Gaul zur Legende. Der damals 23-jährige Luxemburger kämpfte sich in einem Schneesturm alleine die 1400 Höhenmeter hoch. Während die Hälfte der 86 gestarteten Fahrer aufgab, gewann Gaul mit fast 8 Minuten Vorsprung.
Im Gesamtklassement war der «Engel der Berge» vor seinem Husarenritt weit hinten klassiert – und nach dem denkwürdigen Sieg plötzlich Leader. Zwar musste Gaul auf dem Monte Bondone bei Minustemperaturen von Carabinieri von seinem Fahrrad gehievt werden. Zwei Tage später waren die Strapazen aber vergessen: Gaul gewann seine erste grosse Rundfahrt.
Nach seinem Karriereende ging Gaul als Barbesitzer kurzzeitig unter die Gastronomen. Danach wählte er für zwei Jahrzehnte ein Leben als Eremit. Ohne Strom und fliessend Wasser lebte er in einem Holzhaus in den Luxemburger Wäldern. Später heiratete der 2005 verstorbene Bergspezialist ein zweites Mal und wurde Vater.