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Das ist Kolumbiens neuer Held Nur die höchsten Berge sind für Bernal hoch genug

Mit Egan Bernal hat einer der Favoriten die Tour gewonnen. Und trotzdem ist der Sieg des Kolumbianers aussergewöhnlich.

Mit nur 22 Jahren ist Egan Bernal am Ziel seiner Träume angekommen. Seit 1909 hat kein jüngerer Fahrer die Tour gewonnen. Das ist umso erstaunlicher, als dass die Sieger der letzten Jahre immer mindestens 28 Jahre alt waren.

Bernal mag zwar jung sein. Aus dem Nichts kommt sein Gesamtsieg aber bei weitem nicht. In Juniorenzeiten noch erfolgreich auf dem Mountainbike unterwegs, hat er seit seinem Wechsel auf die Strasse einen steilen Aufstieg hinter sich.

Ich weiss nicht, ob man das Schicksal nennt. Aber wenn ich mich nicht verletzt hätte, wäre ich jetzt nicht hier.
Autor: Egan Bernal

Vor dem Tourstart zählte Bernal zu den Mitfavoriten. Angesichts einer möglichen Stallorder im Team Ineos wäre es jedoch denkbar gewesen, dass man voll auf Vorjahressieger Geraint Thomas setzt.

Ineos schlägt rechtzeitig zu

In seinen Anfängen auf der Strasse hatte Bernal beim Continental-Team Androni Giocattoli ab 2016 mit diversen Erfolgen von sich reden gemacht. Spätestens da tauchte er auch auf dem Radar von Ineos-Teamchef David Brailsford auf. Und jetzt, nur zwei Jahre nachdem der britische Rennstall – damals noch unter dem Namen Sky – Bernal unter Vertrag genommen hat, steht dieser in Paris ganz zuoberst auf dem Podest.

Dass Brailsford keinen guten Riecher hatte, kann man dem Briten nicht unterstellen. Dass das nötige Kleingeld für die Verpflichtung Bernals nicht vorhanden wäre, aber ebenso wenig. Androni hat für Bernal eine anständige Ablösesumme eingestrichen.

Noch im Vorjahr stellte sich Egan Bernal voll in den Dienst von Geraint Thomas.
Legende: Vom Helfer zum Gesamtsieger Noch im Vorjahr stellte sich Egan Bernal voll in den Dienst von Geraint Thomas. Keystone

Ein schicksalhafter Schlüsselbeinbruch

Beim Team Ineos hat man die Weichen also bereits früh richtig gestellt. Eine Prise Schicksal oder Zufall – wie immer man es nennen möchte – spielte bei Bernals Toursieg aber dennoch mit. Denn nach seinen starken Helferdiensten bei der letztjährigen Frankreich-Rundfahrt wäre der 22-Jährige eigentlich für den Giro vorgesehen gewesen.

Ich habe mich im oberen Teil der Berge immer besser gefühlt. Ich bin ein Kletterer. Es ist kein Zufall, dass ich auf dem Tourmalet und dem Iseran gut war.
Autor: Egan Bernal

Ein Schlüsselbeinbruch Anfang Mai durchkreuzte jedoch diese Pläne. Bernal musste eine mehrwöchige Pause einlegen. Eine Pause, die sich im Nachhinein als optimale Vorbereitung auf die Tour de France herausstellen sollte. «Ich weiss nicht, ob man das Schicksal nennt. Aber wenn ich mich nicht verletzt hätte, wäre ich heute nicht hier», sagte Bernal an der Medienkonferenz am Samstag.

Sein Comeback hatte er nach überstandener Verletzung an der Tour de Suisse gegeben. Als Thomas nach einem Sturz auf der 4. Etappe vorzeitig aussteigen musste, war Bernal zur Stelle und gewann die Rundfahrt.

Die hohen Berge als Trumpf

Den Unterschied auf dem Weg zum Toursieg machte Bernal erst auf der 19. Etappe, die nach dem Erreichen des Col de l'Iseran hatte abgebrochen werden müssen. Auf dem Weg hinauf auf den Tourmalet hatte Bernal auf der 14. Etappe erstmals aufblitzen lassen, dass er im Hochgebirge wohl etwas stärker ist als Vorjahressieger und Teamkollege Geraint Thomas. Ansonsten bewegten sich die beiden designierten Leader im Gleichschritt.

«Ich habe mich im oberen Teil der Berge immer besser gefühlt. Ich bin ein Kletterer. Es ist kein Zufall, dass ich auf dem Tourmalet und dem Iseran gut war», so Bernal, dem sicherlich auch in die Karten spielte, dass nur zwei Zeitfahren zu absolvieren waren.

Egan Bernal.
Legende: Gewinnt als erster Kolumbianer die Tour de France Egan Bernal. Reuters

Kolumbien feiert seinen Helden

Was sein Triumph – der erste eines Kolumbianers – in seiner Heimat ausgelöst hat, scheint Bernal noch nicht richtig bewusst zu sein. Aber spätestens seit er am Freitag das Gelbe Trikot übernommen hatte, steht das Land Kopf. Am grössten ist die Euphorie in seinem Heimatort Zipaquira, wo es die Menschen in Scharen auf die Strasse trieb. Die Gemeinde nördlich von Bogota liegt auf mehr als 2600 Metern über Meer.

Die grösste Zeitung des Landes, El Tiempo , bezeichnete Bernal als «das junge Wunder, dass zur Legende wird». Es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Kolumbiens neuer Nationalheld das Gelbe Trikot mit nach Hause bringt.

Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 28.07.2019, 19:30 Uhr

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