Stefan Küng weiss, wie es sich anfühlt, auf dem WM-Podest zu stehen. Nur zu gerne hätte der erfolgreichste aktive Schweizer Velo-Profi auf dem Sechseläutenplatz eine dritte WM-Medaille im Zeitfahren entgegengenommen und damit das Heimpublikum beglückt.
Von diesem Glück war der Thurgauer, dem das Hundertstel-Pech schon oft an den Rädern klebte, diesmal jedoch weit entfernt. Als Achter büsste er auf der 46 km langen Schlaufe fast eine Minute aufs Podest ein.
Vuelta hat wohl zu viel Kraft gekostet
«Ich habe schnell gemerkt, dass es kein optimaler Tag ist», analysierte Küng, der sich den grossen Teil seines Rückstands in der Steigung und hinten raus eingehandelt hat. «Am Berg ist es mir nicht gelungen, den Rhythmus zu wechseln. Von dort an war es eine Qual bis ins Ziel.»
Der Sieger Remco Evenepoel und der Zweitklassierte Filippo Ganna liegen für Küng wohl auch an seinem Super-Tag ausser Reichweite, doch Bronze wäre für den Schweizer möglich gewesen. Erst recht, nachdem er nach einem Sommer mit vielen gesundheitlichen Problemen zuletzt wieder in Fahrt gekommen ist. Entsprechend hatte er mit dem Etappensieg an der Spanien-Rundfahrt vor zwei Wochen Selbstvertrauen getankt.
«Ich dachte, die Vuelta sei die beste Vorbereitung, vielleicht war es das doch nicht», sagte Küng bei der Suche nach Gründen für den enttäuschenden Platz 8. «Wenn es mir gut läuft, habe ich die Tendenz, im Training zu fest zu forcieren. Womöglich war dies das Problem.»
Kein Überflieger wie Cancellara
Physisch hätten heute «zwei, drei Prozent» gefehlt. «So wird es schwierig in einem Weltklasse-Feld.» Dass er an der Heim-WM nicht reüssieren konnte, bedauert er zwar, trägt es aber mit Fassung. «Ich bin nicht sonderlich enttäuscht. Das soll nicht heissen, dass mir das Rennen nichts bedeutet.»
«Schon seit Beginn meiner Karriere wurde ich mit Fabian Cancellara verglichen.» Der neunfache Medaillengewinner bei WM und Olympischen Spielen habe oft geliefert, wenn er den Sieg angekündigt hat, so Küng. «Ich bin halt eher ein Normalsterblicher als ein Überflieger.»
Vorwürfe machen könne er sich keine. «Ich habe alles aus mir herausgeholt, was möglich war. Leider war es bei weitem nicht genug», so Küng. «Das akzeptiere er so. Aber deswegen lasse ich mir das Erlebnis Heim-WM nicht verderben.» Nun gelte es, sich zu erholen, um für das Strassenrennen am Sonntag bereit zu sein.
Bissegger plagten muskuläre Probleme
Bei Bissegger zeichnete sich bereits früh ab, dass nichts aus der erhofften Medaillenfahrt wird. «Die ersten fünf, zehn Kilometer waren gar nicht so schlecht. Doch dann bekam ich Probleme im Gesässbereich, die Muskeln haben beidseits zugemacht. Dadurch habe ich keinen Druck mehr aufs Pedal gebracht», erklärte der Europameister von 2022, der schon im Vorfeld die Erwartungen wegen einer Erkältung gedämpft hatte. Als 29. mit über drei Minuten Rückstand auf die Medaillen war er chancenlos.
«Ich hatte in Paris gute Beine, hier nicht mehr», sagte der Olympia-Sechste. Das Zeitfahren war ihm offensichtlich ein Rennen zu viel. «Mein Körper ist am Limit und braucht eine Pause, um sich zu erholen.»
Bis der 26-jährige Thurgauer mit seiner Familie in die ersehnten Ferien nach Mauritius verreisen kann, steht er am Mittwoch noch im Mixed-Zeitfahren am Start. Und bald schon soll auch sein neuer Arbeitgeber bekannt werden. Bissegger wagt nach fünf Jahren im Team EF-Education Ende Saison einen Neuanfang.