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Kopeckys bewegte Geschichte Nach dem Schicksalsschlag zum Titel-Triple und zu Tränen

Lotte Kopecky verlor im Frühling ihren Bruder. Nun setzte die Belgierin mit Strassen-Gold einen fulminanten Schlusspunkt unter die Rad-WM in Glasgow.

«Dieser Titel bedeutet mir sehr viel. Es ist ein Traum wahr geworden», mit diesen Worten und vor allem mit brüchiger Stimme wendete sich Lotte Kopecky unmittelbar nach ihrem Gold-Moment an die vor Ort am George Square versammelte Medienschar. Nach einer enormen Energieleistung war die Belgierin im knallharten Strassenrennen über 154,1 höchst anspruchsvolle Kilometer bei der Radsport-WM in Glasgow soeben zum Triumph gefahren – ja, ab 5 Kilometer vor dem Ziel dank ihrem Soloritt regelrecht ins Regenbogentrikot gestürmt.

Mit unbändigem Willen schoss die 27-jährige Alleskönnerin auf zwei Rädern die letzten giftigen Anstiege hoch, dann beendete sie ihr Titel-Trauma mit einem eindrucksvollen Schlussspurt. Bereits auf der Zielgeraden schlug Kopecky ihre Hände über dem Kopf zusammen, ehe sie in Freudentränen ausbrach.

3 Goldmedaillen in 7 Tagen zu gewinnen, ist völlig verrückt!
Autor: Lotte Kopecky

Vor einem Jahr hatte die 1,70 Meter grosse Sprinterin den WM-Titel auf der Strasse noch um wenige Millimeter hauchdünn verpasst. Diesmal hatte sie keine Mitstreiterin mehr vor sich. Überhaupt veredelte sie damit eine überaus starke Saison. Sie reüssierte bei der Flandern-Rundfahrt. Nach ihrem Etappensieg zum Auftakt der Tour de France Femmes war sie 6 Tage im Gelben Trikot gefahren und beendete vor erst 2 Wochen die Rundfahrt als Gesamtzweite. In der schottischen Metropole ist die Teamkollegin von Marlen Reusser bei der Equipe SD Worx dann zur grossen Abräumerin geworden.

Die Ausbeute von Kopecky in Glasgow

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  • Rad: WM-Gold auf der Strasse
  • Bahn: WM-Gold im Punktefahren
  • Bahn: WM-Gold im Ausscheidungsfahren
  • Bahn: WM-Bronze im Omnium

Als «unglaublich» fasst die nunmehr 6-fache globale Championne ihr sportliches Jahr kurz und knapp zusammen. Mit etwas Abstand holte sie doch noch etwas aus: «Nach meinen beiden Siegen im Velodrom dachte ich, dass es praktisch unmöglich ist, das noch einmal zu schaffen. 3 Goldmedaillen in 7 Tagen zu gewinnen, ist völlig verrückt!»

Und sie ordnet ihre Akkord-Erfolge auch gleich ein: «Die Strasse ist wichtiger.» Ganz nebenbei ...

  • sorgte Kopecky für den ersten belgischen Frauen-Titel seit 50 Jahren ...
  • und machte nach dem Coup von Jungstar Remco Evenepoel im Zeitfahren die Titelkämpfe zu belgischen Festspielen.

Irgendwie zu Energie gekommen

Enorm emotional war Kopecky in der ersten Stunde nach ihrem Ritterschlag auf der Strasse noch aus einem anderen Grund. Er hat mit einem schweren Schicksalsschlag zu tun, den sie Anfang Jahr verkraften musste. So füllten sich ihre Augen auch in Erinnerung an ihren älteren Bruder Seppe mit Tränen.

Zu ihm hatte sie eine sehr enge Beziehung, musste ihn im März aber abrupt loslassen, weil er im Alter von nur 29 Jahren verstarb. Über die Hintergründe der Tragödie ist mit Respekt auf ihre Privatsphäre nichts bekannt. «Ich weiss nicht, was mir geholfen hat weiterzumachen», blendet sie nun zurück. Seppe Kopecky war 2 Jahre älter als Lotte und fuhr als Jugendlicher ebenfalls Radrennen. Dank ihm habe sie den Zugang zu diesem Sport gefunden, heisst es. Später betrieb er Triathlon und war grosser Fussballfan.

Nur 4 Tage nach dem Tod ihres Bruders sass Kopecky damals schon wieder rennmässig im Sattel und setzte sich in der Heimat beim Nokere Koerse gegen die komplette Konkurrenz durch. Weitere Sternstunden sollten folgen.

SRF zwei, sportlive, 13.08.2023 12:50 Uhr ; 

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