Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Eine Würdigung Nino Schurter – der Dankbare

Nino Schurter, der erfolgreichste Mountainbiker der Geschichte, tritt zurück. Dankbar – auch dafür, dass er sich zuhause verabschieden darf.

Interviewer filmt Radsportler am See im Freien.
Legende: Nino Schurter vor der Kamera Er ist mehr und mehr zugänglicher geworden. KEYSTONE/Maxime Schmid

Auf der Lenzerheide beendet Nino Schurter seine Karriere. Wo denn sonst? An dem Ort, an dem er 2018 den schönsten seiner zehn Weltmeister-Titel gefeiert hat. An dem Ort, an dem er – endlich – im Juni 2023 seinen 34. Weltcup-Sieg errungen und damit Julien Absalon überholt hat. An dem Ort, der für ihn, aufgewachsen im kleinen Bündner Bergdorf Tersnaus im Val Lumnezia, in der grossen weiten Welt des Spitzensports «Heimat» bedeutet.

Die Tränen fliessen lassen, in Erinnerungen schwelgen, zurückschauen auf die mit Abstand erfolgreichste Mountainbike-Karriere der Geschichte. Das wird Schurter tun. Und der 39-Jährige tut dies dankbar.

Dankbar dafür, als Kind zusammen mit seinem älteren Bruder Mario den Bikesport entdeckt zu haben. Dankbar dafür, dass sein Talent im Veloclub Surselva entdeckt, gefördert und bis heute bestaunt wird. Dankbar all den Personen, die ihn auf einem Teil seiner Laufbahn begleitet haben. Und: Dankbar für jeden einzelnen seiner Triumphe. Denn, wenn er über seine Siege spricht, fällt immer dasselbe Wort: «dürfen» – «ich durfte dieses Rennen gewinnen».

Nach dem Olympiasieg reden wir über Fussball ...

Als Star der Szene ist Schurter ein begehrter Interviewpartner. Ich, Men Marugg, habe ihn erstmals im Jahr 2012 befragt, für Radio Grischa. Mein Respekt ist während Jahren so gross wie sein Palmarès: Fünf Minuten vor jedem Interviewtermin ist das Mikrophon in Position, die Kamera drehbereit, die Fragen im Kopf. Schurter kommt, schüttelt jedem die Hand, kein Smalltalk, einfach Interview, ein «Danke» und schon ist er wieder weg.

Ich, Adrian Arnet, treffe Schurter 4 Jahre später an den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien erstmals. Er holt sich die lange ersehnte Goldmedaille. Nach dem Rennen flüstert ihm sein Vater Ernst ins Ohr «jetzt hast du es geschafft». Dann fahren wir runter nach Rio, ins olympische Dorf: Der Chauffeur, der Kameramann, ich und Schurter. Mein Auftrag: Begleite den Sieger. Für mich ein Privileg und trotzdem irgendwie unangenehm. Warum sitze ausgerechnet ich bei ihm und nicht sein Vater? Wir reden über Fussball. Wie es Männer tun, die sonst nichts zu besprechen wissen.

Für den Gin Tonic braucht es den Pass

In all den Jahren sind aus den kurzen Interviews nicht längere geworden, aber Schurter hat sich uns gegenüber geöffnet. Vor oder nach dem Interview wird diskutiert, und zwar nicht mehr unbeholfen über Fussball, sondern über das Material, die Strecke. Aber beispielsweise auch über Erlebnisse mit seiner Tochter Lisa.

Er rät uns, mit welchen Abschleppseilen wir mit unseren Kindern biken gehen sollen. Oder wir lassen gemeinsame Erlebnisse aufleben: Der Gin Tonic damals in Snowshoe, West Virginia. Nur gegen Vorweisung des Reisepasses durfte Schurter einen ausgeben. In dieser Situation dankbar, dass ein Schweizer Kommentator bis auf diesen abgelegenen Hügel auf der anderen Seite des grossen Teiches gereist ist, um über ihn zu berichten.

Das Rennglück lange gepachtet

Schurter, der Dankbare. Von grossen Siegen war er zuletzt so weit weg wie noch nie in seiner Karriere und doch ist er dankbar, diese Erfahrungen gemacht zu haben. Mit einem Sieg hätte er nicht aufhören können.

Die Saison 2025 hat Schurter vielmehr aufgezeigt, dass das Rennglück zuvor oftmals auf seiner Seite oder seine Form, sein Instinkt, sein Gespür so gut waren, dass er Stürzen, Defekten oder Einbrüchen stets zuvor- und entsprechend allen davonkam. Darum wird ihm erst jetzt so richtig bewusst, was er alles erreicht hat oder wie es Schurter sagt: «Was ich erreichen durfte.»

SRF zwei, sportlive, 19.09.2025 17:20 Uhr

Meistgelesene Artikel