Mit 28 Jahren steht Nicole Koller auf der Sonnenseite des Lebens – endlich, liesse sich anfügen. Sie blickt auf ihre mit Abstand beste Saison zurück und zeigte ihre Klasse auch im Short-Track-Rennen am Dienstag, welches sie auf Rang 7 beendete.
Irgendwann fuhr ich die Rennen ohne Ziel.
Kollers Weg in die Weltspitze führte durch Täler und über Umwege. 2014 gehörte die im Kanton Zürich wohnhafte St. Gallerin zu den besten Nachwuchsfahrerinnen, an der WM gewann sie Gold. Dann warf sie eine Essstörung ein erstes Mal aus der Bahn.
2015 legte sie mit WM-Bronze und einem zweiten EM-Silber nach, doch der Übergang zur Elite zog sich hin. Hier war Koller über eine längere Zeitspanne eine von vielen, sie verlor sich buchstäblich in der breiten Masse.
Rücktrittsgedanken vor 3 Jahren
In der Saison 2022 gelangte Koller an einen Punkt, an dem sie einen Rücktritt erwog. «Ich habe damals öfter überlegt, den Bettel hinzuschmeissen», sagt sie rückblickend. «Es kam alles zusammen. Ich hatte das Gefühl, dass ich einen Schritt vorwärts machen müsste, aber in den Rennen war es ein Schritt rückwärts. Irgendwann fuhr ich die Rennen ohne Ziel. Und dann zog ich mir zuhause bei einem Sturz auch noch eine Schulterverletzung zu.»
Es waren schwierige Momente. Doch der Durchhaltewille, der durch die Unterstützung ihrer Familie und ihres Teams gestärkt wurde, trug Früchte. Was auch immer die Saison noch bringt, 2025 ist Kollers bestes Jahr im Mountainbike-Weltcup.
Auch wenn es zu nichts mehr reichen würde, ist es eine absolute Supersaison für mich.
Am Samstag startet Koller in Crans-Montana als Medaillenkandidatin ins Cross-Country-Rennen, und schon jetzt hält sie zufrieden fest: «Auch wenn es zu nichts mehr reichen würde, ist es eine absolute Supersaison für mich. Dafür hätte ich alle Jahre zuvor sofort unterschrieben.»
Beim Saisonauftakt in Brasilien fuhr Koller als Zweite zum ersten Mal auf das Weltcup-Podest. Es folgten zwei weitere Podestplätze im Short Track und vor allem Monate der Konstanz auf hohem Niveau. Bis zum 13. Platz in Les Gets im letzten Rennen vor der WM klassierte sich Koller über die olympische Distanz ausnahmslos in den Top 8. In der Summe ergibt das Zwischenrang 4 im Gesamtweltcup, direkt hinter der Schweizer Nummer 1 Alessandra Keller.
Mentaltrainerin als Mosaiksteinchen
Wie befriedigend die Wandlung für Koller ist, sieht man ihr in diesen Tagen im Wallis an. «Es ist eine unglaubliche Saison für mich. Ich habe wieder Selbstvertrauen, die guten Resultate sind anhaltend und zeigen, dass ich keine Eintagsfliege bin. Das Schönste ist, dass ich die Rennen jetzt mitbestimmen kann und ich nicht einfach mitfahre, sondern offensiver agiere und ich mich traue, etwas auszuprobieren», sagt Koller.
Zwei der letzten, möglicherweise entscheidenden Mosaiksteinchen zum Erfolg waren die Zusammenarbeit mit einer Mentaltrainerin und einem südafrikanischen Coach, die sie Ende 2023 einging. Sie habe die mentalen Aspekte mehr einbeziehen wollen, sagt Koller. «Das war die richtige Erfrischung für den Kopf.»
Jetzt also, mit 28 Jahren, geht Koller am Samstag in Crans-Montana zum ersten Mal mit der Aussicht auf ein Spitzenresultat in ein Elite-WM-Rennen.