An den Nagel hängt Linda Indergand ihr Bike am Sonntag noch nicht. Nach dem Heimrennen in Lenzerheide reist die Urnerin noch zum Weltcup-Abschluss im Oktober nach Übersee. Aber dann ist die Profi-Laufbahn einer der vielseitigsten Schweizer Radsportlerinnen zu Ende.
Ihren grössten Erfolg feierte Indergand 2021 an den Olympischen Spielen in Tokio. Mit ihrer Bronzemedaille im Cross-Country-Rennen machte sie den Schweizer «Sweep» (Jolanda Neff vor Sina Frei vor Indergand) perfekt. «Dieser Tag hat mir gezeigt, was mit Teamgeist, Leidenschaft und dem Glauben an sich selbst möglich ist», blickt Indergand auf diesen historischen 27. Juli 2021 zurück.
Zahlreiche Titel und Medaillen
In ihren 13 Profijahren holte sie nicht weniger als 4 WM-Titel, 7 EM-Medaillen und zahlreiche Podestplätze im Weltcup und an Schweizer Meisterschaften. Dabei bewies sie ihre Flexibilität: WM-Gold errang sie 2011 als Juniorin im Cross Country, 2015 und 2016 im Eliminator (eine Bike-Disziplin ähnlich dem BMX Racing) und 2023 mit dem Mixed-Team. Erfolgreich war sie auch auf der Strasse. Unter anderem wurde sie 2014 Schweizermeisterin im Zeitfahren.
Das Talent der seit ihrer frühesten Kindheit radbegeisterten Indergand habe man früh bemerkt, erinnert sich Sandro da Mocogno. «Sie fuhr von Beginn bis zum Schluss ihrer Karriere um den Sieg», sagt der Präsident des Velo-Moto-Clubs Silenen und spielt damit auch auf Indergands EM-Bronze im Short Track vor wenigen Wochen in Melgaco (POR) an.
Indergand und Neff: Von Rivalität zu Freundschaft
In die Wiege gelegt wurde Indergand der Teamgeist, der zum olympischen Dreifachsieg führte, nicht: «Nachdem ich lange das einzige Mädchen gewesen war, fand ich es doof, wenn plötzlich andere Mädchen besser waren als ich», erinnert sich die gelernte Kauffrau an ihre ersten Begegnungen mit Jolanda Neff – damals Rivalin, inzwischen langjährige Freundin.
Am meisten verdankt Indergand ihren Eltern Doris und Sepp: «Sie haben mich immer unterstützt, ob es gut lief oder weniger. Es bedeutet mir sehr viel, wenn sie an den Rennen dabei sind, mir Glück wünschen und mich nach dem Rennen in die Arme nehmen», sagt sie gerührt. Dass sie ihre Karriere nun bereits mit 32 Jahren beendet, hat auch mit einem Schicksalsschlag zu tun: Bei ihrem Freund Tino wurde Anfang Jahr eine Leukämie diagnostiziert.
Ihren Rücktritt verkündete sie vergangene Woche an der Heim-WM in Crans-Montana. Nach ihrem guten 9. Rang im Short Track schrieb sie: «Ich blicke zurück auf eine Reise voller Höhen und Tiefen, voller Emotionen, viel Schweiss, einigen Tränen und unvergesslicher Momente.»