Tadej Pogacar wirkte nach dem nächsten historischen Triumph seiner schon jetzt einzigartigen Karriere, als hätte er eine lästige Besorgungsfahrt erledigt. Ein höfliches Lächeln vom Siegerpodest auf den Champs-Élysées hinab zu den Fans, professionelles Posieren im Gelben wie im Bergtrikot, ein Küsschen für Freundin Urska Zigart – aber Euphorie sieht anders aus.
Nun kann ich endlich wieder ein paar andere schöne Sachen in meinem Leben machen.
Der Mann, der gerade zum 4. Mal die Tour de France gewonnen hatte, spürte nicht wie viele seiner Vorgänger den Überschwang schieren Glückes. Pogacar fühlte sich vielmehr: müde – auch wenn er es am Schlusstag mit den drei Schlaufen hinauf nach Montmartre noch einmal krachen liess.
Gesamtsieg nie in Gefahr
«Ich habe die Kilometer bis Paris gezählt und konnte kaum erwarten, dass es vorbei ist», sagte der zweifelsohne beste Radfahrer der Neuzeit: «Und nun kann ich endlich wieder ein paar andere schöne Sachen in meinem Leben machen.» Überbordende Freude klingt dann doch ein wenig anders.
Pogacar, mit 26 Jahren jüngster Vierfach-Sieger der Tour-Geschichte, ist vor allem ein Vollblutrennfahrer. Und deshalb fightete er am Sonntag noch leidenschaftlich (und vergeblich) im strömenden Regen am Montmartre um seinen 5. Etappenerfolg, als er längst als Gesamtsieger feststand. Eine willkommene Herausforderung und letzte «Pogi-Show», nachdem er sich beim härtesten Radrennen der Welt zuvor unterfordert gefühlt hatte.
Nie geriet Pogacars Sieg zwischen Lille und Paris sportlich in Gefahr, niemand brachte ihn auch an den allerschwersten Bergen in Bedrängnis, keine einzige Sekunde verlor er auch nur auf einer Etappe gegen einen Top-5-Fahrer des Gesamtklassements, niemand wagte einen wirklichen Angriff.
Das stank Pogacar. «Ich dachte ja, dass Jonas zumindest den Etappensieg will. Aber dann war er immer an meinem Hinterrad, und ich musste arbeiten», wunderte sich der Slowene nach der letzten Bergankunft in La Plagne über den etatmässigen Hauptrivalen Vingegaard.
Der Legenden-Klub ruft
Der dänische Sieger von 2022 und 2023 kam ihm wieder am nächsten, bei viereinhalb Minuten Rückstand war aber auch dies kein wirkliches Duell. Dahinter entstanden Leistungsunterschiede historischen Ausmasses: Seit Jan Ullrichs Sieg 1997 hatte der drittplatzierte Fahrer nicht mehr so viel Rückstand wie Florian Lipowitz nun.
Nur 11 Fahrer lagen letztlich weniger als eine Stunde hinter dem Gelben Trikot zurück – das gab es zuletzt 1969 unter Eddy Merckx. Pogacar kann alle erdenklichen Radsport-Rekorde brechen, 2026 mit erst 27 Jahren in den Legenden-Klub der Tour-Rekordsieger aufsteigen. Derzeitige Mitglieder: Anquetil, Merckx, Hinault, Indurain.
Vuelta-Sieg fehlt noch
Doch will Pogacar überhaupt einen 5., 6. oder 7. Tour-Sieg? «Pogi», das zeigte auch diese Rundfahrt, ist jemand, der Freude am Fahren empfinden muss, das ist sein Treibstoff. Und wenn Pogacar Freude oder Lust fehlt, fährt er eben nicht. Siehe Olympia 2024, als er nach der Ausbootung Zigarts diskussionslos absagte.
Schon seine weitere Saisonplanung ist offen. «Diese drei Wochen hier waren so lang», sagte er. Fraglichst, dass er sich in nur einem Monat die gleich lange Vuelta antut, die er noch nicht gewonnen hat. Und die langfristige Planung? Der Vertrag beim UAE-Team läuft noch fünf Jahre. «Macht euch keine Sorgen», sagte Pogacar unlängst in Richtung Kontrahenten, «vielleicht höre ich danach einfach auf.» Es war im Scherz gemeint. Höchstwahrscheinlich.