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Nach Aufgabe im WM-Zeitfahren Reusser: «Muss etwas Abstand haben, damit der Hunger wiederkommt»

Die Bernerin spricht nach der Aufgabe im WM-Zeitfahren über ihre Beweggründe und warum sie etwas Abstand braucht.

Als grosse Favoritin gestartet, gab Marlen Reusser das WM-Zeitfahren am Donnerstag an den Titelkämpfen in Schottland nach gut der Hälfte der 36 Kilometer langen Strecke auf. Ihre Beweggründe? Ein Rätsel. Körperliche Probleme waren bei der 31-Jährigen optisch nicht auszumachen. Auch mit ihrem Material schien alles in Ordnung gewesen zu sein.

Einige Stunden nach dem Rennen nahm Reusser gegenüber SRF exklusiv Stellung zu ihrer Aufgabe. «Es war kein mechanisches Problem, ich wollte das Rennen in dem Moment aufgeben», sagte die Bernerin und sprach im Anschluss von einer Art mentalen Erschöpfung.

Kein Moment des Durchatmens

Radsport sei kein «9-to-5-Job», sondern viel cooler und sie schätze das Leben als Radprofi extrem. Gleichzeitig koste es aber auch sehr viel Energie. Reusser sprach in der Folge von einem schwierigen letzten Jahr mit vielen Verletzungen und Krankheiten.

Ich bin mega schnell im Moment. Also machst du es halt einfach. Aber mein Gefühl war eigentlich schon, dass ich eine Pause brauche.
Autor: Marlen Reusser

«Das Ganze hat schon länger an mir gezehrt. Nach der Tour de Suisse bin ich etwas in ein Loch gefallen. Das war mein zweiter Sieg an einem Etappenrennen, ich habe Eintagesrennen gewonnen, ich habe alles mögliche gewonnen. Aber es kam nie der Moment des Durchatmens, des sich Freuens, sondern es ging sofort weiter mit Gedanken an die Tour de France, an die WM», so die zweifache WM-Silbergewinnerin.

Reusser ist es wichtig, offen über ihre Beweggründe zu sprechen. Gleichzeitig zeigt sie Verständnis für allfälliges Unverständnis. «Ich weiss, dass ich sehr privilegiert bin. Ich versuche, mich auf Kritik an meinem Entscheid einzustellen», so die Bernerin, die 2017 ihr Medizinstudium abgeschlossen hat.

Eine Weile in der Dauerschleife

Das bisherige Jahr ist für Reusser sehr erfolgreich verlaufen. Nach dem Gesamtsieg an der Tour de Suisse glänzte sie an der Tour de France mit dem Sieg im Zeitfahren, im Frühling hatte sie mit Gent – Wevelgem zudem ihren ersten Klassiker gewonnen. Alles Gründe, die gegen eine Pause sprachen, wie sie erklärt.

Ich hatte keinen Bock. Und dann habe ich gestoppt.
Autor: Marlen Reusser

«Es hängt so viel mit drin. Es gibt so viele Sponsoren, Leute die mich unterstützen [...]. Und ich bin mega schnell im Moment. Also machst du es halt einfach. Aber mein Gefühl war eigentlich schon, dass ich eine Pause brauche», so Reusser, die von einer Art Dauerschlaufe berichtet, in der sie sich seit einiger Zeit befinde.

Im Zeitfahren am Donnerstag sei der Moment gekommen, in dem sie im Kampf um eine Medaille hätte aufdrehen müssen. «Und ich hatte keinen Bock. Und dann habe ich gestoppt.» Sie sei schlicht nicht bereit, nicht hungrig gewesen. Und sie habe bereits in den Tagen zuvor gemerkt, dass in ihr «kein Feuer» brenne.

Sorgen, dass dieser Hunger, dieses Feuer wieder kommt, macht sich Reusser indes keine. «Ich bin sicher, wenn ich etwas Abstand habe, kommt das wieder. Aber im Moment fehlt es.»

Wie ihre weitere Saisonplanung aussieht, weiss Reusser derzeit noch nicht. Auch nicht, ob sie am Sonntag zum Strassenrennen antritt. «Zuerst einmal etwas essen und schlafen.»

SRF zwei, sportlive, 10.08.2023, 15:20 Uhr ; 

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