Die Vorschusslorbeeren waren gross, als Fabian Cancellara 2001 ins Lager der Profis wechselte. Aus den Junioren- und U23-Zeiten hatte man Wunderdinge gehört. Und Cancellara legte gleich los, gewann bei der Rhodos-Rundfahrt den Prolog und die Gesamtwertung. Der Anfang war vielversprechend.
Ein rasanter Aufstieg
«Er war sehr wissbegierig und hat alles um sich herum aufgesogen, um sich weiter zu entwickeln», erinnert sich SRF-Experte Sven Montgomery, der 2003 eine Saison lang Teamkollege Cancellaras war. «Diese Bereitschaft zu lernen hat ihn schliesslich so weit gebracht, nebst dem enormen Talent, das er natürlich hatte.»
Die Entwicklung Cancellaras ging in den folgenden Jahren konstant voran, Siege gab es zunächst in kleineren Zeitfahren, 2006 folgte mit Paris-Roubaix der erste Erfolg bei einem der grossen 5 Monumente. Aus dem Super-Talent war der Siegfahrer geworden, der mit seiner Kraft und seinem Renninstinkt im Peloton dominierte. Schnell hatte er sich den äussert passenden Übernamen «Spartacus» verdient.
Das Herz auf der Zunge
Faszinierend an Cancellara war immer, wie offen er über seine Form sprach, wie er seine Chancen vor den grossen Rennen einzuschätzen wusste. Mehr als einmal kündigte er seine Siege in Flandern oder Nordfrankreich quasi an – und sorgte Tage später für Vollzug.
Er versucht stets, auch das Beste für das Team herauszuholen.
Die offenherzige Auskunftsfreude Cancellaras hatte allerdings auch seine Nachteile. Mehr als einmal hatte er sich selber überdeutlich zum Top-Favoriten gestempelt und war im Rennen der meistbeachtete Mann. So liess sich auch ein zweiter Sieg bei Mailand-Sanremo schlicht nicht mehr realisieren. Cancellara hatte über die Jahre hinweg nicht mehr einen Milimeter Auslauf in der «Primavera».
Ein Tour-Sieg als Helfer
Doch nicht nur als Siegfahrer hat sich Cancellara in seinen Profijahren einen guten Ruf erarbeitet. Der Berner war stets auch ein engagierter Helfer, der sich in den grossen Rundfahrten für seine Leader zerriss. «Er versucht stets, auch das Beste für das Team herauszuholen und schaut, dass wir alle optimale Voraussetzungen haben», so sein langjähriger Gefährte Grégory Rast. 2008 gehörte Cancellara bei CSC denn auch zum Team um Tour-de-France-Sieger Carlos Sastre.
Ein letztes Müsterchen von Cancellaras Helfer-Qualitäten war im Strassen-Rennen in Rio zu sehen, als er im Finale Sebastien Reichenbach im Stile einer Dampfwalze noch einmal nach vorne eskortierte – und damit auch seine eigene Chance aufgab. Diese packte er dafür Tage später im Zeitfahren eindrücklich.
Respekt und Bewunderung
Zu Cancellaras Ruhm hat auch sein Respekt vor der Geschichte und vor den Traditionen des Radsports beigetragen. Gross war die Bewunderung für ihn deshalb auch in Belgien oder Frankreich. Cancellara hätte auch als Sieger der Tour de France hevorragend gepasst.
Doch auf dieses Abenteuer wollte er sich nicht einlassen. Zu gross wären die Konsequenzen und Einschnitte gewesen, um seinen Körper entsprechend umzupolen. Es ist die einzige Lücke, die am Ende dieser grandiosen Karriere bleibt.
Sendebezug: SRF zwei, sportpanorama, 11.09.2016, 18:15 Uhr