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Vincenzo Nibali an der Siegerehrung bei der Tour de France
Legende: Montgomery über Nibali «Er war der kompletteste Fahrer im Feld» Reuters

Rad Montgomery: «Nibali profitierte von den Ausfällen»

Vincenzo Nibali hat die diesjährige Tour de France nach Belieben dominiert und einen ungefährdeten Sieg gefeiert. SRF-Experte und Co-Kommentator Sven Montgomery blickt auf die Rundfahrt zurück und gibt seine Einschätzungen zu der Tour ab.

Resultate

Sven Montgomery, böse Zungen behaupten, dass Vincenzo Nibali nach den Aufgaben von Vorjahressieger Chris Froome und Mitfavorit Alberto Contador einen Freifahrtschein auf den Tour-Sieg hatte. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Die Ausfälle haben ihm den Tour-Sieg zwar massiv erleichtert, aber beim härtesten Rad-Rennen der Welt gibt es keinen Freifahrtschein. Auch wenn noch andere Favoriten ausgefallen wären, hätte er hart um dem Sieg kämpfen müssen.

Nibali fuhr praktisch ausser Konkurrenz, die Tour war früh entschieden. Wieso konnte ihn niemand gefährden?

Nibali war physisch und mental der stärkste Fahrer im Feld. Und er hatte eine exzellente Mannschaft hinter sich, die ihn unterstützte.

Der Abstand auf den Zweitplatzierten ist mit 7:37 Minuten so gross wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Der Vorsprung ist in der Tat gross, dabei gilt es aber 2 entscheidende Faktoren zu berücksichtigen. Erstens: Der Ausfall seiner beiden härtesten Gegner. Davon hat Nibali sicherlich profitiert. Zweitens: Er verschonte seine Gegner zu keinem Zeitpunkt. Vor allem in den Bergen nutzte er jede Möglichkeit für einen Angriff. Mit der aggressiven Fahrweise kamen seine Konkurrenten nicht zurecht.

Was macht den Italiener so stark?

Nach den Ausfällen von Froome und Contador war er der kompletteste Fahrer im Feld. Nibali ist in allen Bereichen stark. Ausserdem war er zum bestmöglichen Zeitpunkt in Topform. Hinzu kam auch, dass weitere Kandidaten auf den Tour-Sieg bereits früh durch Stürze viel Zeit verloren haben und zurückgeworfen worden sind.

Stürze wird es bei der Tour de France immer geben.

Die vielen Stürze waren vor allem in der 1. Hälfte der Rundfahrt ein grosses Thema. Ist die Tour zu gefährlich geworden?

Gefährlich war die Tour eigentlich immer. Dieses Jahr stachen die Unfälle besonders heraus, weil sie mit Froome, Contador und Mark Cavendish sehr prominente Opfer gefordert haben. Aber Stürze hat es bei der Tour immer gegeben und wird es auch immer geben.

Porträt Sven Montgomery.
Legende: Sven Montgomery Der SRF-Experte zieht zur 101. Austragung der Tour de France Bilanz. SRF

Mit Jean-Christophe Péraud und Thibaut Pinot stehen erstmals seit 1997 wieder Franzosen auf dem Podest. Nährt das die Hoffnungen auf einen baldigen einheimischen Sieg?

Es ist gut möglich, dass in den kommenden Jahren die Generation mit den jungen Franzosen einen Tour-Sieg herausfahren kann. Es kommt aber sicherlich auch darauf an, wie die Tour von den Organisatoren geplant und auf die französischen Fahrer zugeschnitten wird.

Wie wichtig wäre ein französischer Sieg für die Tour de France?

Die Tour hat auch die letzten 29 Jahre ohne einen Heimsieg überlebt. Natürlich wäre es für die radsportbegeisterten Franzosen ein schönes Erlebnis. Aber wichtig wäre beispielsweise auch ein deutscher Sieg, damit die Begeisterung für diesen Sport auch dort wieder einen Aufschwung erfährt.

Die Schweizer sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefahren.

Wie schätzen Sie die Leistungen der Schweizer Fahrer ein?

Ich denke, die meisten Schweizer sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefahren. Es waren Fortschritte gegenüber vergangener Jahre erkennbar, aber alles in allem war es eine eher unauffällige Tour der Schweizer. Martin Elmiger stach mit seinen Fluchtversuchen heraus, die leider nicht mit einem Etappensieg belohnt wurden.

Wäre demnach mehr dringelegen?

Von der Leistungsfähigkeit nicht unbedingt. Aber mit ein bisschen mehr Wettkampfglück auf jeden Fall. Mathias Frank wäre vielleicht auch zu einem Exploit fähig gewesen, wenn er nicht hätte aufgeben müssen. Und bei Fabian Cancellara weiss man, dass er nicht in Topform zur Tour angetreten war. Ansonsten hätte er wohl die 5. Etappe mit den Pavés-Abschnitten gewonnen.

Sendebezug: SRF info/SRF zwei, sportlive, 27.07.2014, 18:00 Uhr.

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