Der erste Abschied ist gemacht. Am Mittwoch fuhr Tom Boonen beim Scheldeprijs in der Region Antwerpen sein letztes Rennen auf belgischem (oder flämischem) Boden. Gestartet wurde ehrenhalber in seinem Geburtsort Mol, den Startschuss vollzog sein Grossvater. Boonen selber fuhr in langen Hosen und verdingte sich vornehmlich als Sprinthelfer von Sieger Marcel Kittel.
Der letzte Pflasterstein-Spezialist
Und nun also noch 257 Kilometer, dann ist Schluss. Im Vélodrome von Roubaix wird Boonen am Sonntag ein letztes Mal als Profi vom Sattel steigen. Mit dem 36-Jährigen verliert die Radsportszene einen der erfolgreichsten Fahrer der letzten Jahre - und nach Fabian Cancellara den zweiten grossen Spezialisten für die Pflastersteine.
Ich bin nicht wirklich der Typ, der jetzt jedes Mal an der Ziellinie heult, weil es das letzte Mal war.
In seiner Heimat Belgien zählen die Medien bereits die Tage. Und das seit Wochen, angefangen bei 50. Mindestens so viele Artikel drehten sich seither um den Publikumsliebling, ihren «Messias».
5. Sieg in Roubaix zum Abschluss?
Hellseherischer Fähigkeiten bedarf es keiner um zu erahnen, welches Abschiedsgeschenk sich Boonen wünscht: ein letztes Mal ganz zu oberst stehen.
Mit dem 5. Triumph in der «Hölle des Nordens» würde der abtretende Belgier zum alleinigen Rekordsieger der Königin aller Klassiker aufsteigen. Im Vorjahr hatte er sich im Sprint Überraschungssieger Matthew Hayman geschlagen geben müssen.
Dieses Leben endet hier in Roubaix.
Geschlagen geben musste er sich auch am vergangenen Sonntag, als ihn an der Flandern-Rundfahrt ein technischer Defekt an der Schaltung weit zurück warf. Und zwar ausgerechnet am Taaienberg, jenem Anstieg also, an welchem Boonen in den vergangenen Jahren bei seinen drei Siegen oft den Unterschied machen konnte.
Bessere Chancen auf einen letzten grossen Sieg hatte sich Boonen aber ohnehin eher bei Paris - Roubaix als an der «Ronde» ausgerechnet.
113 Siege und ein paar Skandale
Diese beiden Rennen haben die Karriere Boonens geprägt. Er hat sich mit seinen Siegen zum Nachfolger der Legenden Johan Museeuw und Peter van Petegem gekürt.
Neben seinen 113 Erfolgen als Profi, darunter auch der WM-Titel 2005 in Madrid, wird Boonen auch für einige Aktionen neben der Piste in Erinnerung bleiben. Mehrmals war er in Kokain-Affären involviert, einige Sportwagen fuhr er zu Schrott und generell musste er eingestehen, dass er sein Verhalten im Ausgang nicht immer im Griff habe.
In den letzten Jahren ist es jedoch bedeutend ruhiger geworden um «Tommeke». Das Publikum in Belgien war ihm ohnehin nie lange böse und hat ihn bei den letzten Rennen mit regelrechten Ovationen verabschiedet.
Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 02.04.2017, 14:00 Uhr