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Tour de France Bis zu 7000 Kalorien: Rad-Profis essen mehr denn je

Das grosse Gelage: Die Fahrer stopfen an der Tour de France so viel in sich hinein wie nie zuvor auf dem Velo.

Das Schweizer Tudor-Team gewährt während seiner ersten Tour de France Einblicke in den Alltag der Rad-Profis. Grosse Bedeutung kommt der Ernährung zu. Koch Bram Lippens verrät: «Julian Alaphilippe mag Spaghetti Bolognese, wie die Kinder.» Ernährungsberater Simon Wallis sagt: «Ohne Kohlenhydrate könnten die Fahrer nicht wie gewünscht performen.»

Revolution im Essbereich

Die Essgewohnheiten der Radstars haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, so sehr, dass ihre Mägen inzwischen regelrecht darauf trainiert sind, die Nahrungsflut zu bewältigen. «Wir sind um ein Vielfaches gewachsen», betont Julien Louis, Ernährungswissenschaftler des Teams Decathlon-AG2R, der zuvor für den FC Liverpool tätig war, gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Noch vor fünf Jahren waren 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde undenkbar. Nach den Rennen habe ich mir fast in die Hose gemacht
Autor: Tadej Pogacar

Der heutige Ansatz markiert eine 180-Grad-Wende gegenüber den 2010er-Jahren und dem damaligen Trend zur «Low Carb»-Diät (ketogene, kohlenhydratarme Ernährung), den das Team Sky um den vierfachen Tour-de-France-Sieger Chris Froome populär machte.

Michal Kwiatkowski verpflegt sich während der Tour de France 2024.
Legende: Schwer beladen Michal Kwiatkowski verpflegt sich während der Tour de France 2024. Getty Images

Damals wurde dem Körper im Training gezielt Zucker entzogen, um Gewicht zu verlieren und ihn dazu zu bringen, Energie vermehrt aus Fettreserven zu gewinnen.

Zwei Eier für sechs Stunden Training

«Zwei Eier zum Frühstück und dann waren wir fünf, sechs Stunden im Training unterwegs, mit Wasser in den Trinkflaschen. Wir waren die ganze Zeit platt», erinnert sich der britische Routinier Simon Yates, der nach seinem Giro-Sieg im Mai heuer auf der 10. Tour-Etappe zuschlug.

Diese Zeiten sind vorbei: «Wenn der Tank leer ist», erklärt Louis, «schaltet der Körper auf Fettverbrennung um.» Das funktioniert, ist aber deutlich weniger effizient als Kohlenhydrate, die den wichtigsten Treibstoff für die sportliche Leistung darstellen und im Volksmund als Zucker (oder Kohlenhydrate) bezeichnet werden.

«Viermal so viel wie ein normaler Mensch»

Und es braucht tatsächlich enorme Mengen, um den riesigen Energieverbrauch auszugleichen – bei einer Bergetappe der Tour de France können es bis zu 7000 Kalorien sein. «Im Grunde muss man viermal so viel essen wie ein normaler Mensch», bringt es der britische Bergfahrer Simon Carr, der sich stark für Ernährung interessiert, auf den Punkt.

Der Cofidis-Profi bestätigt: «Wir haben noch nie so viel auf dem Velo gegessen.» Vor und nach der Belastung, aber vor allem währenddessen. Im Rennen nehmen die meisten Fahrer mittlerweile bis zu 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde oder mehr zu sich. Das ist enorm. «Das entspricht sechs Bananen oder rund 200 Gramm getrockneter Nudeln pro Stunde», erklärt Louis. Ein kleiner Aufkleber am Vorbau des Velos erinnert die Fahrer daran, wann sie wie viel essen sollten.

Training für den Darm nötig

Solche Mengen, hauptsächlich in Form von Gels und Energydrinks, zu schlucken, war bis vor kurzem unvorstellbar, da sie den Magen-Darm-Trakt zu stark belasteten. «Noch vor fünf Jahren waren 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde undenkbar. Nach den Rennen habe ich mir fast in die Hose gemacht», erzählte Tadej Pogacar im September in einem Podcast.

Seither wurden grosse Fortschritte bei Energieriegeln, Gels und Getränken erzielt. Sie enthalten heute eine Kombination aus zwei verschiedenen Arten von Kohlenhydraten. Im Darm habe man neben dem Transportweg für Kohlenhydrate einen zweiten entdeckt, der Fructose aufnehmen kann. «Wenn man beide Wege gleichzeitig nutzt, lässt sich die doppelte Menge Zucker aufnehmen», so Louis.

Auch wenn die heutigen Produkte besser verträglich sind, müssen die Fahrer ihren Magen weiterhin gezielt trainieren, um solche Mengen überhaupt aufnehmen zu können. Während der Winter-Trainingslager absolvieren die Fahrer «mindestens eine Einheit pro Woche, bei der wir das Darmtraining, das sogenannte ‹Gut Training›, durchführen», betont Louis vom Team Decathlon-AG2R.

SRF zwei, sportlive, 23.07.2025, 15:00 Uhr ; 

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