Als man sich in Basel anschickte, mögliche Austragungsorte für das ESAF 2022 zu prüfen, war kurz auch das Fussballstadion St. Jakob ein Thema. Allerdings wäre dieses Stadion viel zu klein gewesen. Zwar dachte man nach dem Eidgenössischen 2019 laut darüber nach, dass eine markante Verkleinerung des Anlasses vielleicht ganz gut wäre. Aber davon kam man schnell wieder ab.
Letztlich war allen klar, dass eine krampfhafte und deshalb künstliche Verknappung der Infrastruktur dem stetig und harmonisch gewachsenen Publikumsinteresse nicht gerecht werden würde. Und klar war auch, dass die organisierenden Organe, die Schwinggemeinde und letztlich wir als Gesellschaft halt auch in der Lage sind, das Eidgenössische als Megaanlass durchzuführen, ohne dass es seinen Charakter verliert.
Boom künstlich aufgebläht? Mitnichten
So plante man im Baselbiet von Anfang an gross. Als Pratteln 2018 den Zuschlag für das ESAF 2022 erhielt, waren 47'000 Sitzplätze vorgesehen. Mittlerweile sind es 50'900. So viele, wie überhaupt auf einer Tribüne Platz haben, die auf dieses Festgelände passt. Alles andere als eine Ausreizung der Publikumskapazität an den gegebenen Örtlichkeiten hätte auch keinen Sinn gemacht.
Es ist ja nicht so, dass der Boom rund um den Schwingsport künstlich aufgebläht wäre. Da sind keine PR-Maschinerien im Gang, die ein Überinteresse generiert hätten, dem man nur bei passender Gelegenheit den Stecker ziehen müsste, damit es auf seine normale Grösse gesundschrumpft. Das Interesse am Schwingsport ist exakt so gross, wie die Menschen in unserem Land es wollen. Und für dieses Interesse gibt es schöne Gründe. Mal abgesehen vom Sportlichen.
Kurz und kompakt gilt für einmal nicht
Ein Schwingfest ist wie eine grosse Badewanne voller Friedfertigkeit. In die man morgens eintaucht, und der man abends zufrieden wieder entsteigt. Das ist Wellness für die Seele. Erst recht in einer Zeit, in der spaltende Tendenzen in unserer Gesellschaft viel zu normal geworden sind. Ein Schwingfest gibt unterschiedlich denkenden Menschen die Möglichkeit, durch respektvolles Beisammensein auf neutralem Gelände Zusammengehörigkeit zu leben.
Das ist dermassen wohltuend, dass es offenbar über das Stadion hinaus und bis hin zum Sofa wirkt, auf dem man sitzt, um Schwingübertragungen via TV zu schauen. Und zwar fünf, sechs oder auch acht Stunden am Stück. Im kompletten Widerspruch zur Erkenntnis der modernen Medienlehre, die besagt, dass alles kurz und kompakt gesendet werden muss, damit die Leute nicht wegzappen. Offensichtlich wohnt einem Schwinganlass etwas inne, das viele von uns festhält.
Riesig, aber auch echt und berührend
Begeisterung geht auch friedlich, selbst wenn wir in riesiger Anzahl auf engem Raum vereint sind, selbst wenn vor harten Zweikämpfen die Nerven auf den Rängen bis zum Zerreissen angespannt sind. Sogar dann, wenn mein Sitznachbar denjenigen Schwinger anfeuert, der unten auf dem Sägemehl gegen meinen Favoriten um einen grossen Sieg oder eine kapitale Niederlage kämpft. Das Gegeneinander schliesst ein Miteinander nicht aus. Mehr noch: Miteinander gegeneinander ist sehr viel beglückender als nur gegeneinander.
In diese Atmosphäre werden am Samstagmorgen um halb acht 274 Schwinger eintauchen, wenn sie in die grösste temporäre Arena auf dem gesamten Planeten einmarschieren. Ohne Lichtshow, ohne künstlichen Nebel, ohne Blingbling. Da wird nur die Unmittelbarkeit dieser einmaligen Kulisse sein, die wir alle erschaffen. Ja, das Eidgenössische ist riesig, aber es ist zugleich auch echt und berührend. Darauf können wir stolz sein. Darauf, dass wir das können.