Resultate
Ein deutscher Radio-Reporter fragte mich nach zwei Trainingssprüngen in Oberstdorf nach meinem Tournee-Favoriten. Ich sagte: «Anders Jacobsen, wenn er in den vier Wettkämpfen 8 Sprünge zeigt wie hier im Training.» Der Reporter schaute mich etwas schräg an: «Diesen Tipp habe ich bis jetzt noch nicht gehört.»
Anlauf verkürzt
Das mag sich nach der Qualifikation geändert haben. Anders Jacobsen, zur Zeit nicht in den fix qualifizierten Top 10 des Weltcups, verkürzte vor seinem Quali-Sprung freiwillig den Anlauf, geriet nach dem Absprung in Turbulenzen, fing sich aber so gut auf, dass er mit 133,5 Metern den drittlängsten Flug stand, trotz aller Probleme. Jacobsen, beim letzten Weltcup in Engelberg noch nirgends, nun Tourneefavorit, das passt zu ihm. Er hatte sich schon vor seiner Papa-Pause im Vorwinter immer auf die Tournee hin um eine Klasse gesteigert. 2007 gewann er.
Österreich und Deutschland top
Natürlich hoffen die Deutschen auf Severin Freund, und die Österreicher tippen vor allem auf Gregor Schlierenzauer, zu Recht. Im Training lag der Tiroler noch knapp hinter Jacobsen, aber in der Qualifikation war der Titelverteidiger wieder der Beste, mit 131,5 Meter, zwei weniger zwar als Jacobsen, aber bei wesentlich schlechteren Bedingungen. Was für Schlierenzauer spricht: Er gewinnt, auch wenn seine Sprünge nicht perfekt sind (siehe Engelberg).
Kofler mit Problemen
Die Favoritenrolle abgegeben hat Andreas Kofler, der über Weihnachten eine Erkältung auskurieren musste und dreimal mässig sprang. Die Nr. 2 bei den Österreichern übernimmt Wolfgang Loitzl, Tourneesieger von 2008, damals nach einem packenden Duell gegen Simon Ammann.
Bei den Deutschen zeigen Richard Freitag, Severin Freund und Michael Neumayer Ambitionen auf Podestplätze. Bei dieser Breite ist der erste deutsche Tournee-Tagessieg seit Sven Hannawalds Triumph 2002 in Oberstdorf absolut drin. An einen deutschen Tourneesieg jedoch glaube ich nicht.
Bricht Ammann den Tournee-Fluch?
Und Simon Ammann? Er will die Tournee gewinnen, sonst wäre er nicht hier. Seine Sprünge sind besser als in Engelberg. Er profitiert davon, dass er vor Weihnachten erstmals als Tourneevorbereitung auf der Schanze in Oberstdorf trainieren konnte.
Zum Tournee-Auftakt waren Ammanns Sprünge dann aber doch nicht so überzeugend: 125 und 120 Meter, zum Vergleich Jacobsen 136 und 133 Meter. Immerhin beendete der Toggenburger die Qualifikation auf Platz 7, mit 126 Metern verlor er nur noch 7,5 Meter auf den Norweger.
Top-10-Resultat ist realistisch
Joachim Winterlich, der frühere Cheftrainer des Schweizer Teams, der heute die Bulgaren betreut, sieht Simon Ammann in den Top 3 der Tournee-Gesamtwertung. Natürlich würde ich mich freuen, wenn Winterlichs Tipp richtig wäre. Realistisch gesehen bin ich aber mit Top 10-Klassierungen in den einzelnen Tourneespringen durchaus zufrieden.