Es war der perfekte Tag, der 12. Februar in Rosa Chutor, dem Alpin-Gebiet der Olympischen Spiele von Sotschi: An jenem Mittwoch stand Dominique Gisin in jeglicher Hinsicht auf der richtigen Seite.
Im wichtigsten Wettkampf des Winters war ihr eine makellose Fahrt gelungen, dazu hatte sich das Hundertstel-Glück gesellt. Dass für sie die exakt gleiche Zeit wie für die Slowenin Tina Maze gestoppt wurde, machte das Ganze noch spezieller.
Unbeirrt den Weg gegangen
Diese Besonderheit passt perfekt ins Bild der Skirennfahrerin Gisin, deren Karriere alles andere als geradlinig verlaufen ist. Auf dem Weg an die Spitze wurde die Innerschweizerin immer wieder durch Verletzungen gebremst. Nicht weniger als neun (Knie-)Operationen musste sie über sich ergehen lassen.
Stets war sie zum Neubeginn gezwungen, stets hat sie sich der schwierigen Aufgabe gestellt, stets waren ihre Energie und ihr Kampfgeist stärker als der Gedanke ans Aufgeben. Ihr Antrieb war das Wissen, bei optimaler Konstellation trotz aller gesundheitlichen Rückschläge im Skizirkus zu den Besten zu gehören.
Rücktrittsgedanken haben sich verflüchtigt
Die Sinnfrage hatte sich Dominique Gisin in der Öffentlichkeit nur einmal gestellt – ausgerechnet zu Beginn des letzten Winters. Es war die Zeit, in der sie auf eine Phase zurückblicken musste, in der es mehrheitlich nicht nach Wunsch gelaufen war.
Am Ursprung jenes erfolglosen Abschnitts stand, wie könnte es anders sein, eine im Januar 2012 in Cortina erlittene Knieverletzung. Jenes Malheur hatte ein neuerliches vorzeitiges Saisonende bedeutet. Sie sei nicht mehr gewillt, diesen immensen Aufwand für zehnte Ränge zu betreiben, hatte Gisin damals gesagt. Wer Siege und Podestplätze in seinem Palmarès stehen hat, will sich mit Durchschnittlichem nicht zufriedengeben. Wäre der Erfolg ausgeblieben, wäre der Rücktritt mit Sicherheit zum Thema geworden.
Mit dem Olympia-Sieg haben sich die Gedanken über das Karriere-Ende verflüchtigt. Neben der Goldmedaille dient Gisin auch die Auszeichnung zur Schweizer Sportlerin des Jahres als zusätzliche Motivationsquelle für weitere Grosstaten. Die letzte Alpine, der diese Ehre zuteil geworden war, war Sonja Nef im Jahr 2001 – eine Fahrerin mit einer ähnlichen Verletzungsgeschichte.
Sendebezug: SRF 1, Sports Awards, 14.12.14 20:05 Uhr