Michael Stäuble, haben Sie im Fall Van der Garde noch den Überblick?
Stäuble: Die Lage ist tatsächlich extrem verworren. Der ehemalige Sauber-Testfahrer Giedo Van der Garde scheint wild entschlossen zu sein, sich einen Platz im Cockpit des Rennstalls zu erkämpfen. Die Gerichte haben ihm bis jetzt recht gegeben. Aus Sicht des Internationalen Motorsport Verbandes, der FIA, wäre er aber gar nicht startberechtigt, denn er besitzt keine Superlizenz. Diese hat er erst am Mittwoch beantragt. Normalerweise dauert es zwei Wochen, bis eine solche ausgestellt ist. Also auch wenn ihm das Gericht recht gäbe, die Sporthoheit dürfte einen Start nicht zulassen.
Hinzu kämen technische Probleme.
Genau. Das neue Auto, der Sauber C34, wurde - was die Fahrerzelle betrifft - auf die neuen Fahrer Felipe Nasr und Marcus Ericsson ausgerichtet. Gemäss Insidern würde Van der Garde gar nicht in das Auto passen. Ein neuer Sitz könnte zwar in einem Tag angepasst werden. Aber die Fahrerzelle ist ein technisches Problem, das sicherlich mehr als nur einen Tag in Anspruch nehmen würde.
Los geht die Saison aber bereits am Freitag. Besteht denn überhaupt noch die Möglichkeit auf eine Einigung vor dem ersten freien Training?
Eine Einigung schliesse ich aus. Morgen früh gibt es zwar einen weiteren Gerichtstermin, das freie Training beginnt aber um 12:30 Uhr Ortszeit, gleich nach diesem Gerichtstermin. Bei Sauber auf der Meldeliste stehen zwei Namen: Nasr und Ericsson. Diese beiden Piloten werden auch im Auto sitzen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass die Polizei hier auf der Strecke auftaucht, um den Willen Van der Gardes durchzusetzen.
Dennoch könnte dieser Rechtsstreit gravierende Folgen haben für den Sauber-Rennstall.
In der Tat, wenn sich Van der Garde tatsächlich per Gerichtsentscheid ein Cockpit erkämpfen könnte. Dann müsste Sauber einen der beiden Piloten Nasr oder Ericsson auf die Strasse setzen und auch dessen Sponsorengelder zurückbezahlen. Das wäre ein Betrag in zweistelliger Millionenhöhe und das würde das Sauber-Team in der jetzigen finanziellen Situation nicht überstehen. Aber ein solcher Entscheid hätte nicht nur für Sauber gravierende Folgen, sondern für den Sport im allgemeinen.
Wie meinen Sie das?
Der Fall Van der Garde könnte zum Präzedenzfall werden. Im Fussball hatten wir ja bereits Konflikte zwischen der Sportbehörde und dem zivilen Gericht. Dazu kam es jeweils, wenn ein gefoulter Spieler den foulenden Spieler auf Körperverletzung eingeklagt hatte. Jetzt könnte es auch hier sein, dass eine zivile Gerichtsbehörde in den sportlichen Verlauf eingreift. Das ist eine heikle Übergangszone. Da muss sich vor allem der Sport wehren. Denn zivile Gerichte, die nicht mit dem Reglement der Sporthoheit vertraut sind, können da sehr fragwürde Urteile fällen.
Sendebezug: Radio SRF3, 12.3.2015, Morgenbulletin, 08:00 Uhr