148 Tage lang dauerte die Ski-Saison. Mehr als 21 Wochen, in denen um Punkte, Kristallkugeln und in Peking auch um olympisches Edelmetall gekämpft wurde. Unsere beiden Experten, Tina Weirather und Marc Berthod, haben am Rande des Saison-Finales in Courchevel/Méribel noch einmal auf die abgelaufene Saison zurückgeschaut.
Welche Schweizer haben besonders beeindruckt?
- Tina Weirather: «Mit ihrer Vorgeschichte Michelle Gisin. Sie litt am Pfeifferschen Drüsenfieber und hatte auch sonst keine optimale Vorbereitung – und dann ist sie die einzige, die im Slalom, im Riesenslalom und im Super-G aufs Podest fährt. Dazu in Peking noch Olympia-Gold und -Bronze; bei ihr ist wirklich alles aufgegangen. Auch Lara Gut-Behrami war sehr gut drauf. Schade, dass auch sie gesundheitliche Probleme hatte, denn sonst gäbe es keine Gründe, warum sie nicht performt. Sie fährt einfach genial Ski.»
- Marc Berthod: «Marco Odermatt hat mit dem Gesamtweltcup das Höchste gewonnen, das man erreichen kann. Über eine ganze Saison in allen Disziplinen der Beste gewesen zu sein, das ist einmalig, einfach grossartig. Gerade bei den Besichtigungen in den Speed-Disziplinen ist es super, dass Feuz und Odermatt sich so gut verstehen. Sie pushen sich und treiben sich zu Bestleistungen an.»
Wer waren die positiven Überraschungen?
- Berthod: «Es gab mehrere schöne Einzelergebnisse, aber ich möchte Niels Hintermann herausheben. Er hatte schon letzte Saison gute Ansätze in der Abfahrt, hat es aber nicht runterbringen können. In diesem Jahr hatte er einen richtigen Lauf und war auch abseits der Piste sehr erfrischend. Mit seinen Erfolgen lieferte er zusätzliche Emotionen.»
- Weirather: «Bei den Frauen war es Camille Rast. Sie ist da angekommen, wo es um Podestplätze geht. Mit ihr rechne ich in den nächsten Jahren besonders. Sie hat sich heuer eine gute Basis in den technischen Disziplinen erarbeitet sowie Rennintelligenz und Erfahrungen sammeln können. Zudem ist es schön, dass wir eine grössere Breite im Kader haben. Das ist sehr wichtig, damit die Top-Athletinen ‹Back-ups› haben, sie können schliesslich nicht jeden Tag liefern. An diesen Tagen müssen dann die anderen bereitstehen.»
Wer oder was hat enttäuscht?
- Weirather: «Für mich war es enttäuschend, wie viele Athletinnen wegen Corona Rennen verpasst haben. Das gab es im letzten Jahr nicht, als strengere Massnahmen herrschten und es zum Beispiel keine Zuschauer hatte. Heuer hat es ‹gräblet› und fast alle Athletinnen musste 2 Wochenenden auslassen.»
- Berthod: «Bei den Männern ist es im Slalom-Team – ausser den Podestplätzen von Daniel Yule und Loïc Meillard – nicht so gelaufen, wie man sich das vorgestellt hat. Einzelne Erlebnisse hätten viel auslösen können, denken wir nur an Tanguy Nef in Val d'Isère oder an das hervorragende Halbzeit-Ergebnis in Garmisch . Solche Dinge hätten eine Euphorie entfachen können. Aber die Jungs werden fighten und nächstes Jahr wieder angreifen.»
In der Nationenwertung hat Österreich die Schweiz geschlagen ...
- Berthod: «Am Final-Wochenende sind wir noch einmal richtig nahe gekommen und konnten Druck machen. 257 Punkte haben jetzt im Total gefehlt, die könnte man sicher im Slalom der Männer suchen, wo wir einige sehr gute Ausgangslagen nach dem 1. Lauf nicht ausnutzen konnten.»
- Weirather: «Das hat sicher auch damit zu tun, dass die österreichischen Frauen im Speed-Bereich 1300 Punkte mehr gemacht haben als in der letzten Saison. Und wir hatten auch mehr Probleme im gesundheitlichen Bereich. Interessant finde ich, dass wir uns den Rückstand zu Saisonbeginn eingehandelt haben. Danach blieb er eigentlich bis zum Ende in etwa gleich.»
Bei Olympia konnte die Schweiz dafür glänzen ...
- Weirather: «Wir hatten bei Olympia vorher überall gute Chancen – und alle wurden gepackt, das war bombastisch. Dass alles so gut aufgeht, ist unfassbar. Im Team wurden von den Verantwortlichen alle heissgemacht und gut eingestellt. Auch deshalb konnten die Fahrerinnen diese Leistungen erbringen.»
- Berthod: «Bei Feuz war die Abfahrt das letzte Puzzle-Teil, das noch gefehlt hat. Man hat schon im Vorfeld gespürt, dass es in der Luft liegt. Dass er es am Tag X auf den Punkt bringen konnte, war absolut Beat-like. Auch Odermatts Leistung im Riesenslalom war sehr eindrücklich: Es hat sich hingezogen, wurde schon dunkel und er war als Letzter noch oben. Trotzdem hat er der Erwartungshaltung standgehalten und es nach Hause gebracht.»