Im Zielraum wurde Lindsey Vonn richtig emotional. Verständlicherweise. Die Amerikanerin hatte soeben etwas geschafft, was kaum für möglich gehalten wurde. Sie, die erst vor einem Jahr aus dem Ski-Ruhestand zurückgekehrt war, gewann im Alter von 41 Jahren und 55 Tagen (!) wieder ein Weltcuprennen. Und dies nicht einfach so. Sie deklassierte in der 1. Abfahrt in St. Moritz die deutlich jüngere Konkurrenz geradezu.
«Mein Vater hat am Telefon so fest geweint wie noch nie», sagte Vonn im SRF-Interview: «Jetzt hat sich die harte Arbeit ausgezahlt.» Die nun 83-fache Weltcupsiegerin dankte nicht nur ihrem Vater, sondern dem ganzen Team, welches sie in den letzten Monaten unterstützte. Diesem gehört auch der frühere norwegische Topfahrer Aksel Svindal an.
Zahlen, die verblüffen
Endlich stimme alles mit ihrem Material und deshalb könne sie «so fahren, wie ich möchte», sagte Vonn. Auch ihr Körper bereite ihr keine Probleme mehr. «Ich bin endlich frei im Kopf. Das macht mich sehr, sehr happy.»
Wie aussergewöhnlich Vonns Leistung ist, belegen diese Zahlen:
- Mit 41 Jahren und 55 Tagen ist sie die mit Abstand älteste Gewinnerin im Ski-Weltcup.
- Ihr letzter Sieg im Weltcup liegt 7 Jahre und 9 Monate zurück.
- Zwischen Januar 2019 und Dezember 2024 befand sie sich im Ski-Ruhestand und bestritt keine Rennen.
- Ihr Weltcup-Debüt liegt 25 (!) Jahre zurück, den 1. Sieg feierte sie vor 21 Jahren.
Die vierfache Gesamtweltcupsiegerin und achtfache Gewinnerin der Abfahrts-Wertung scheint heuer so gut in Form zu sein wie zu ihren besten Tagen, als sie die Speedrennen fast nach Belieben dominierte. Dies bestätigte sie. «Ich bin schon bereit», meinte Vonn mit einem Lächeln.
Gutes Omen für Olympia?
Am Samstag strebt Vonn in St. Moritz ihren 84. Erfolg im Weltcup an. Das grosse Ziel bleiben aber die Olympischen Spiele in Cortina (ITA). An jenem Ort, an welchem Vonn so erfolgreich war wie nirgends sonst (12 Siege und total 20 Podestplätze in Abfahrt und Super-G).
«Ich muss vorsichtig sein, denn in den letzten Monaten haben sich viele Fahrerinnen verletzt. Aber bei meiner heutigen Fahrt hatte ich nicht das Gefühl, dass ich Risiko genommen habe. Das ist perfekt», gab die 41-Jährige zu Protokoll und fügte an: «Ich hoffe, das ist ein gutes Omen für die kommenden Monate.»
Der Schock im Zielraum ist gross.
Auch für SRF-Ski-Expertin Tina Weirather war Vonns Auftritt in St. Moritz verblüffend. «Es war eine bombastische Leistung, mit der sie alle überrascht hat. Der Schock im Zielraum ist gross», sagte die Liechtensteinerin. Alle hätten gewusst, dass Vonn topfit sei. Aber dass schon im 1. Speedrennen der Saison alles so aufgehen würde, sei aussergewöhnlich. Wie von(n) einem anderen Stern.