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Weltcup Frauen Bont: «Shiffrins Kompromisslosigkeit beeindruckt mich»

Mikaela Shiffrin ist der Konkurrenz im Weltcup enteilt. SRF-Skiexperte Michi Bont spricht im Interview über mögliche Gründe und erklärt, was sie von Lindsey Vonn unterscheidet.

Michi Bont, Mikaela Shiffrin steht bei 9 Saisonsiegen und hat im Gesamtweltcup mehr als doppelt so viele Punkte wie ihre erste Verfolgerin Wendy Holdener. Hättest du ihr eine solche Dominanz vor der Saison zugetraut?

Michi Bont: Als ich sie im Herbst beim Gletschertraining beobachtet habe, war mir schnell klar, dass es so kommen könnte. Es müssen aber sehr viele Komponenten zusammenkommen, um so viele Siege nacheinander einfahren zu können.

Was beeindruckt dich am meisten?

Mir imponiert, wie kompromisslos sie ihren Weg geht und wie hart sie mit sich selbst ist. Vorbildlich ist auch ihre Saisonplanung. Obwohl sie in den schnellen Disziplinen grosse Fortschritte erzielt hat, lässt sie hin und wieder ein Speedweekend aus. Sie hat ihre Wettkampf- und Karriereplanung absolut im Griff.

Eine Dominanz einzelner Athleten ist für einen Sport nie gut.

Du hast in deiner Trainerkarriere schon viele Fahrerinnen erlebt. Was unterscheidet Shiffrin von anderen Athletinnen?

Es gibt im Skisport immer wieder Phasen, in denen es dominante Athleten gibt. Ich erinnere mich beispielsweise an Janica Kostelic, die eine Zeit lang im Slalom praktisch keine Fehler machte. Dasselbe gilt auch für Shiffrin: Sie fährt sehr dynamisch und verliert dabei nie die Balance.

Die Konkurrenz verlor in den letzten beiden Slaloms über anderthalb Sekunden auf Shiffrin. Was macht sie technisch so viel besser als der Rest?

Die Grundlage ist ihr schneller Schwung. Speziell gegen Ende des Schwungs gelingt es ihr, ihre Skis schnell wieder in die Falllinie zu bringen. Dadurch kann sie extrem beschleunigen. Das macht niemand so gut wie sie.

Shiffrin ist zwar erst 22 Jahre alt, wirkt aber bereits sehr reif. Vor allem mental scheint sie extrem stark zu sein.

Ja, das ist absolut beeindruckend. Ich habe kürzlich ihre Mutter Eileen gefragt, woher diese mentale Stärke kommt. Sie konnte mir die Frage auch nicht beantworten. Es ist eine Gabe, die sie hat. Wie man hört, soll sie aber auch in diesem Bereich sehr hart gearbeitet haben.

Die Dominanz Shiffrins hat auch eine Kehrseite: Die Spannung in den Slaloms fehlte zuletzt, der Gesamtweltcup scheint bereits Anfang Januar entschieden. Schadet eine derartige Überlegenheit dem Skisport?

Eine Dominanz einzelner Athleten ist für einen Sport nie gut. Es wird wichtig sein, dass die Konkurrentinnen nicht weiter an Boden verlieren. So wie sich Shiffrin in der Öffentlichkeit präsentiert, glaube ich aber nicht, dass ihre Erfolge dem Sport schaden. Es werden auch wieder Zeiten kommen, wo die Abstände nicht mehr so gross sind.

Shiffrin wirkt schon in jungen Jahren viel geerdeter als Vonn.

Bis zu den Olympischen Spielen sind es noch 4 Wochen. Ist es möglich, dass sich Shiffrin Gedanken darüber macht, ob sie ihre Form bis dahin konservieren kann?

Das ist schwierig zu beurteilen. Eines ist für mich aber klar: Der Slalom und der Riesenslalom in Pyeongchang werden für sie die schwierigsten Rennen in diesem Winter werden. Sie reist nach Südkorea, um Gold zu gewinnen. Und das nicht nur einmal. Damit baut sie natürlich Druck auf. Vielleicht kann die Konkurrenz davon profitieren.

Shiffrin hat zuletzt auch Vonn in den Schatten gestellt. Was unterscheidet die beiden?

Shiffrin hat viel weniger den Drang, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie bietet damit weniger Angriffsfläche, wenn es einmal nicht so gut läuft. Sie wirkt schon in jungen Jahren geerdeter als Vonn.

Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin.
Legende: Kristallkugeln en masse Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin. Getty Images

Vonn fehlen noch 8 Siege, um Rekordhalter Ingemar Stenmark (86 Weltcupsiege) abzulösen. Shiffrin steht mit 22 Jahren bereits bei 40 Erfolgen. Könnte diese Bestmarke auch für sie zum Thema werden?

Wenn man sich das Alter anschaut, ist sie auf bestem Weg dazu. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass sie bis jetzt von grossen Verletzungen verschont geblieben ist. Wir wissen alle, wie schnell es gehen kann. Aber arbeitet sie weiter so knallhart wie bis jetzt und bleibt ehrgeizig, sehe ich keinen Grund, weshalb sie den Rekord nicht brechen sollte.

Sendebezug: SRF zwei, sportlive, 7.1.18, 12:30 Uhr

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