Gerade einmal zwei Weltcup-Abfahrten hatte Marco Odermatt in den Beinen, als er sich 2018 in Bormio die berüchtigte Stelvio hinunterstürzte. Zu Punkten reichte es dem damals 21-Jährigen mit Rang 31 knapp nicht, was er rund einen Monat später auf der noch unbarmherzigeren Streif in Kitzbühel nachholte. Auf den Tag vier Jahre später schickt sich Odermatt, im Vorjahr als Zweiter nur von Dominik Paris geschlagen, abermals dazu an, die steile, kurvenreiche Strecke am Stilfser Joch zu zähmen.
Seit seiner Premiere in Bormio hat sich einiges getan: Der Nidwaldner ist amtierender Gesamtweltcup-Sieger, Besitzer einer olympischen Goldmedaille, hat 15 Rennen auf höchster Stufe gewonnen. Und eines ist trotz aller Erfolge ziemlich gleich geblieben, wie der vielleicht begabteste Skirennfahrer seiner Generation betont: der Mensch Marco Odermatt. Beobachter bewundern seine Bodenständigkeit, seiner Lockerheit. Odermatt selbst sieht es pragmatisch: «Authentisch sein verbraucht am wenigsten Energie.»
Gerade das Haushalten mit der Energie war zuletzt das grosse Thema beim 25-Jährigen. Vom Saisonstart in Sölden – der wie das bislang letzte Rennen endete: mit einem Riesenslalom-Triumph Odermatts – bis zum «Riesen»-Doppel in Alta Badia absolvierte «Odi» in nicht einmal zwei Monaten nebst etlichen Trainingsläufen 10 Rennen. Mit durchschlagendem Erfolg: Ausser bei der 2. Abfahrt von Gröden (Rang 7) fuhr er immer aufs Podest.
Der Akku sei in der für Skirennfahrer mit 9 Tagen nahezu luxuriös langen Rennpause über Weihnachten jedenfalls wieder komplett aufgeladen worden. Das Rezept dafür so simpel wie effektiv: «Ich brauche nicht viel. Einfach mal weg von diesem Umfeld, nach Hause. Man muss an nichts denken, keine Wecker stellen.» Gemacht habe er kaum etwas. Dass ihn das wenig winterliche Wetter nicht aus dem Haus gelockt habe, sei dabei durchaus hilfreich gewesen.
Den Schalter zwischen Athlet und Privatperson derart reibungslos umlegen zu können sei eine weitere Stärke von ihm. Wenngleich die Grenzen durchaus verschwimmen und er dank seiner Meriten als Sportler mitunter an exklusive Schauplätze gelangt. Etwa nach London, wo er Ende September am Laver Cup Roger Federers Dernière live mitverfolgen durfte. Über sein Vorbild schwärmt er: «Der perfekte Athlet und Mensch von A bis Z.»
Odermatt wurde in Englands Hauptstadt Zeuge der letzten professionellen Momente einer Sportikone, die trotz aller Erfolge immer auch für ihre Bodenständigkeit und Lockerheit gewürdigt wurde. Attribute, die einem auch im Zusammenhang mit dem Buochser äusserst bekannt vorkommen.