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Marco Odermatt im Interview «Es ist nicht einfach, wenn man weiss, dass nur der Sieg zählt»

Mit dem Gewinn der Abfahrtskugel ging für Marco Odermatt ein Kindheitstraum in Erfüllung. Im SRF-Interview blickt der 26-Jährige auf seinen erfolgreichen Winter zurück. Er spricht unter anderem über die eindrückliche Siegesserie im Riesenslalom, die vielen Rennabsagen und den Umgang mit dem Druck.

Gehen wir an den Anfang der Saison zurück. Der Saisonstart war harzig, weil er immer wieder Absagen beinhaltete. Wie viel Energie hat das gekostet?

Marco Odermatt: Viel. Ich glaube, es ging ähnlich viel Energie verloren, wie wenn wir diese Rennen gefahren wären. Wir waren jeweils vor Ort und man hat sich jeden Tag wieder darauf eingestellt und vorbereitet, dass am nächsten Tag etwas ist. Es war sicher nicht der Saisonstart, den man sich gewünscht hätte.

In Val d'Isère fiel für Sie dann der Startschuss zu dieser grossartigen Saison. War der Riesenslalom, den Sie dort gewinnen konnten, fast genauso wichtig für den weiteren Saisonverlauf wie etwa der Abfahrtssieg am Lauberhorn?

Ja, definitiv. Ich konnte in den letzten 3 Jahren immer mit einem Sieg in die Saison starten. Das gibt viele gute Emotionen, es gibt auch viel Vertrauen. Darum ist der Sieg dort sehr wichtig gewesen. Er war auch eine grosse Erleichterung.

Sie konnten saisonübergreifend 12 Riesenslaloms in Folge gewinnen. Was hat diese Serie mit Ihnen gemacht?

Es ist unglaublich. Wenn man jetzt zurückdenkt, wie viel hier hat zusammenpassen müssen. Vielleicht hatte ich da und dort auch ein bisschen Glück, dass diese Serie wirklich weiterging. Es ist Wahnsinn.

Hat Sie diese Serie in einem gewissen Sinn auch besser gemacht, weil Sie nicht wollten, dass sie reisst?

Das ist schwierig zu sagen. Wenn man die Rennen in Aspen anschaut und wie ich dort gekämpft habe, dass es doch noch irgendwie zum Sieg reicht, ist die Antwort vielleicht ja. Es ist nicht die einfachste Situation gewesen, wenn man weiss, man muss gewinnen. Auf das Podest zu fahren, ist auch immer schwierig, aber dafür ist noch ein bisschen mehr Marge vorhanden. Wenn man weiss, dass nur der Sieg zählt, ist das nicht so einfach. Das habe ich nun auch wieder gelernt. Darum hat mich das rein auch vom Kampfgeist her gelehrt, dass immer noch alles möglich ist, auch wenn etwas passiert.

Nach dem Gewinn der Riesenslalom-Kugel haben Sie gesagt, dieses Leben soll nie fertig sein, so wie es jetzt ist. Kann man die ganzen Erlebnisse im Winter neben dem Druck auch geniessen?

Ja, definitiv. Gerade der Riesenslalom-Tag war ganz speziell in der letzten Woche. Auch wenn das Rennen nicht aufgegangen ist, war es dennoch fast der schönste Tag dieser zwei Wochen. Es sind viele Emotionen zusammengekommen mit dem Team, mit der Riesenslalom-Mannschaft und mit dem Podestplatz von Thomi (Tumler). Diese Emotionen haben mich dann zu diesen Worten bewegt.

Ihre Konkurrenten Marco Schwarz und Aleksander Kilde, die auch Ihre Kollegen sind, haben sich während der Saison verletzt. Wie hat das Ihre Saison beeinflusst?

Es kommt nicht einmal darauf an, wer. Man will nie, dass sich jemand verletzt. Das sind nicht nur für mich als Konkurrent, sondern für den ganzen Skirennsport grosse Verluste gewesen. Es zeigt aber auch, dass jeder ans Limit geht und auch gehen muss, wenn man Rennen gewinnen will. Dieser Grat ist extrem schmal. Darum versuche ich es zu geniessen, solange ich gesund bin. Und bei den anderen bin ich sehr zuversichtlich, dass sie nächste Saison wieder fit und gesund um die Kugeln mitfahren werden.

Ist es Ihnen in solchen Phasen einfach gefallen, ans Limit zu gehen?

Ich bin in diesen Fällen jeweils schon im Ziel gewesen. Beim Sturz von Alexis Pinturault in Wengen stand ich allerdings noch oben. Dort ist es mir zum Beispiel nicht gelungen, ans Limit zu gehen. Wenn so etwas passiert, regt das einen schon zum Nachdenken an. Will man für einen Super-G jetzt vielleicht eine Saison riskieren – gerade, wenn man am Lauberhorn am nächsten Tag das Ziel gehabt hat, die Abfahrt vom Originalstart zu gewinnen? Das sind Dinge, die man wahrnimmt, andersherum aber auch versucht auszublenden, speziell, wenn man schon im Ziel ist.

Seit ein paar Stunden ist die Saison Geschichte. Die 4 Kugeln vor uns sind das Resultat. Und jetzt: Ferien? Oder geht es strukturiert und effizient weiter?

Nein, jetzt gehe ich zuerst einmal eine Woche in die Ferien, einmal weg von dem Ganzen. Dann komme ich zurück, um zwei, drei Wochen zu arbeiten.

Das Gespräch führte Marc Lüscher.

SRF zwei, sportpanorama, 24.3.2024, 18 Uhr ; 

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